Elfenzeit 10: Fluch der Blutgräfin - Paradigi, J: Elfenzeit 10: Fluch der Blutgräfin
Auswahlkriterien; aber auch Hörigkeit den Mächtigen gegenüber.
»Ich frage dich noch einmal: Was willst du? Und wer ist dein Herr?«, zischte sie und schleuderte ihn mit ihrer aufflammenden Aura ein Stück zurück.
»Meine Herrin ist die eine und doch keine«, winselte Jarosh und rieb sich die ausgedörrten Hände. »Ich bin verdammt, in ewiger Rastlosigkeit zu wandeln. Denn weder tot noch lebend ist sie. Schwebend zwischen den Welten, gefangen im Gespinst des Hexers.«
»Die Gräfin ist tot und vergangen.« Anne wollte ihn ein weiteres Mal von sich drücken.
Der Ghul kam ihr zuvor. Jaulend wie ein Hund warf er sich auf den Boden, umklammerte ihre Fußknöchel und flehte: »Bringt sie ins Leben zurück, oh Blutrünstige! Gebt meinem Dasein einen Sinn. Ich bin sicher, sie wird es Euch mit gutem Gold vergelten.«
»Die Motten haben das bisschen Geist in deinem hohlen Schädel wohl schon zerfressen!« Mit einem Ruck befreite Anne ihr linkes Bein, holte aus und katapultierte den Alten mit einem gezielten Tritt zwischen die Augen ein paar Meter weit rückwärts an die nächste Grabsteinplatte. Ein Knackgeräusch erklang, unterlegt vom Knirschen morscher Knochen.
»Tut einem armen Knecht nichts, Hocherhabene der Künste! Ist meine Existenz nicht Beweis genug?« Stöhnend krabbelte er auf allen vieren auf sie zu. Das Loch in seinem Kopf hatte sich zu einem fingerlangen Riss ausgeweitet.
Anne hatte nicht übel Lust, ihn ein zweites Mal durch die Luft fliegen zu lassen, doch was dieser Wicht sagte, klang durchaus vernünftig. Ein Ghul lebte nur so lange wie sein Herr oder seine Herrin. Wenn Jarosh noch existierte, hatte sich auch der Körper der Blutgräfin nicht in Staub aufgelöst. Nach so vielen Jahren!
Sie fixierte den Ghul mit bohrendem Blick und bewegte ihre Hand in der Luft, als wolle sie ihm das Kinn kraulen. Violettfarbene Fäden strömten aus ihren Fingerspitzen und schlängelten sich in Mund und Nase des Untoten, bis auch seine Augen sich färbten.
»Sag mir die Wahrheit, stinkender Lumpensack! Ist deine Herrin tatsächlich die berüchtigte Elisabeth Báthory?«
»So ist es«, antwortete der Ghul, hypnotisiert von dem Wahrheitszauber.
»Sie war doch bloß ein Mensch! Wie kann sie noch leben? Wie… wieso existierst du? Wer hat dich erschaffen?«
»Ihr Onkel Stephan Báthory hat mich unter Anweisung ihrer Cousine Anna – der mächtigen Hexe – geformt. Mit eigener Hand auf dem Altar geschlachtet und zu Satanas’ Ehren in ein zweites Leben zurückgeholt. Mit schwarzem Blut bin ich geweiht und an die Gräfin gebunden worden.« Jarosh sprach mit monotoner Stimme, während gleichzeitig ein Schwarm grünlich schimmernder Fliegen aus seinem Schädel hinaus in die Nacht stürmte.
»Lebt sie noch? Spuck’s aus, du Madenhaufen!« Anne geriet in Rage, ohne den Grund zu wissen. Eigentlich konnte es ihr egal sein, sie hatte mit der Gräfin nichts zu schaffen. Was ihr allerdings Angst machte, war der offensichtliche Verlust ihrer vampirischen Sinne. Wie stark der Pestgestank an diesem Ort auch sein mochte, eine Präsenz wie die der Báthory hätte sie spüren müssen.
»Darf ich vielleicht behilflich sein?«, erklang plötzlich eine bekannte Stimme hinter ihr.
Anne fuhr herum und fletschte instinktiv die Zähne. Doch es war zu spät. Mit einem kalten Lächeln drückte Saul Tanner ab. Ein dumpfer Knall zerriss die Nachtruhe, hallte nach und hinterließ eine dünne Rauchsäule am Lauf des Revolvers.
Anne starrte perplex erst auf den Amerikaner, dann auf ihren Oberschenkel, in dem eine Pfeilampulle steckte. »Was …?«, begann sie und machte einen schwankenden Schritt zur Seite.
Tanner kam indes gemütlich auf sie zuspaziert. »Glaubst du wirklich, ich könnte nach meinen jahrzehntelangen Studien so jemanden wie dich nicht erkennen?«
»Aber …« Was immer dieser Mistkerl ihr mit dem Pfeil injiziert hatte, wirkte schnell und mit der Wucht einer Dampfwalze. Anne taumelte und versuchte hilflos, mit den Armen ihr Gleichgewicht zu halten. Als sie schließlich zusammensackte, war Tanner zur Stelle und fing sie auf. Anne war zwar noch bei Bewusstsein, hatte aber die Kontrolle über ihren Körper verloren. Sie spürte, wie ihr Hals taub wurde, und schnappte nach Luft.
»Keine Angst, meine Liebe. Ich habe das Mittel vorsichtig dosiert. Nur für den Fall, dass du noch zu den Lebenden gehörst. Dann wäre eine Lähmung der Lunge fatal, würde ich meinen. Aber ich bin natürlich kein Arzt.« Er strich ihr ein paar
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