Elfenzeit 10: Fluch der Blutgräfin - Paradigi, J: Elfenzeit 10: Fluch der Blutgräfin
Kreis, wurde dicker, bröckeliger. Und je länger es dauerte, desto übler wurde es Nadja. Sie hatte das Gefühl, auf einem Schiff zu stehen und in einen tosenden Strudel zu blicken, der sie verschlingen wollte. Ihr Magen wurde flau und flauer, während Talamh das Bild intensivierte, mit weiteren Details anreicherte.
Aufhören!
, flehte Nadja. Da erst schien ihr Sohn ihre Qual zu bemerken. Das Bild und die Übelkeit verschwanden. Stattdessen erschien ihre Wohnung in München vor ihrem inneren Auge: Momentaufnahmen der einzelnen Räume – Schlafzimmer, Bad, Küche –, als würde Talamh nach etwas suchen. Schließlich blitzte ihr Fernsehgerät vor ihr auf, ging an und zeigte zu Nadjas großer Überraschung einen Werbespot für Frühstücksmüsli.
Als sie endlich begriff, platzte ein lautes Kichern aus ihr heraus.
Joghurt!
Er hatte ihr das Wort Joghurt mitteilen wollen. Erst über die Herstellung aus geronnener Milch und, da sie das Bild partout nicht begriffen hatte, schließlich über das Nächste, was in diesem Zusammenhang in ihrem Geist gespeichert war. Sie selbst hatte Joghurt selten im Kühlschrank, deshalb war er auf die Fernsehwerbung ausgewichen. Nadja prustete erneut los und erntete dafür einen Blick der Kuhgöttin, der eher verwundert, sogar neugierig statt verärgert schien.
Nadja bemühte sich um Fassung. Sie ging mit dem Päckchen zum Tablett und entblätterte es auf dem Teller. Eine bröckelige Masse kam zum Vorschein, die etwas ungewöhnlich aussah, aber wie Joghurt roch. Damit hatte sie alle Opferbeigaben zusammen und blickte erwartungsvoll zu Kamadhenu. Die Göttin war mit Wiederkäuen beschäftigt, also sprach Nadja sie an: »Ehrwürdige Göttin, hiermit bringe ich Euch Opfergaben, die Früchte Eurer Sprösslinge, Lebensspende für die Men…« Im letzten Moment erinnerte sich Nadja daran, dass sie in der Anderswelt war, und korrigierte: »… für die Elfen im Reich.«
Kamadhenu hielt im Kauen inne und blickte aus den Augenwinkeln auf das Tablett. »Du hast dich an den Gaben bedient, die mir andere gebracht haben«, sagte sie mit einem verächtlichen Zucken der Mundwinkel. »Ich sollte dich wie eine Diebin fortjagen.«
Nadja spürte, wie ihr der Schweiß den Rücken hinabrann. Woher hätte sie die Sachen denn besorgen sollen? Es war doch offensichtlich, dass sie ohne Habe gekommen war. Warum konnte diese verdammte Kuh nicht einfach mit der Wegbeschreibung herausrücken? Das war doch alles reine Schikane. Nadja dachte an die Frau des Maharadschas. Was, wenn diese Aufgabe nur dazu diente, sie von Rabin Dranath Takur fernzuhalten? Wenn sie den Pfau gar nicht wirklich erreichen sollte? Im Grunde war Indira damit doch wunderbar gedient – die vermeintliche Nebenbuhlerin war aus dem Weg geschafft, und alles konnte wieder den gewohnten Gang gehen. Nur so leicht würde Nadja es ihr nicht machen.
Kamadhenu mochte eine Göttin sein, aber sie war auch eine Kuh, und das brachte Nadja auf eine Idee. Sie holte einmal tief Luft, straffte sich und lächelte die Gehörnte freundlich, aber bestimmt an. »Ist es nicht redlich, die Gaben zweifach zu verwenden, so, wie auch Ihr Euer Futter wiederkäut? Ist solch eine Geste nicht sogar Lobpreisung?«
Die Kuhgöttin schnaubte und fixierte Nadja mit einem Blick, der sie förmlich an die Wand nagelte. Aber Nadja hielt tapfer stand und lächelte, bis Kamadhenus Gesichtszüge sich langsam entspannten. Schließlich nickte sie mit einem Schmunzeln. »Das war eine vortreffliche Antwort, Nadja Oreso. Und sie lässt mir keine andere Wahl, als den Gottesdienst für eröffnet zu erklären. Doch bevor du deinen Wunsch aussprichst, überlege gut. Einmal gehört, gibt es keine Möglichkeit, ihn zurückzunehmen oder zu verändern.«
Nadja hielt inne und dachte nach. Statt nach dem Weg zu fragen und dieses Spiel weiter mitzuspielen, konnte sie sich einfach nach Hause in ihre Wohnung wünschen oder zu ihren Freunden. Sie war Indira und dem Maharadscha nicht verpflichtet. Man hielt sie in Jangala gegen ihren Willen fest.
»Kann ich mir alles wünschen, was ich will?«, fragte sie nach einer Weile.
»Meine Kräfte reichen bis ans Ende der Welt, in der ich lebe«, antwortete die Göttin. »Ich weiß wohl, was dir im Kopf herumgeht. Doch ich kann dich nicht über die Grenzen hinausschicken, denn die Elemente gehorchen mir dort nicht auf die gleiche Weise.«
Damit war Nadjas Hoffnung auf ein Schlupfloch im Keim erstickt. Enttäuscht blickte sie zu Boden und versuchte abermals,
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