Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes - Thurner, M: Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes

Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes - Thurner, M: Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes

Titel: Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes - Thurner, M: Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
Vom Netzwerk:
voll, obwohl der Verschluss ungeöffnet schien. »Viele Jahre lang befand er sich dort. Bis der Kellermeister entschied, dass die Zeit reif sei, die Abfüllung vorzunehmen. Es bedarf jahrzehntelanger Erfahrung, musst du wissen, um derartige Entscheidungen treffen zu können. Dieser Mann entscheidet über viel Geld. Erwischt er den richtigen Zeitpunkt, bewahrt das Getränk jenes Bukett, das einem Liebhaber so wichtig ist. Dann riecht und schmeckt man die Landschaft, die das Wasser des Flusses Laggan durchschwemmt. Den kaledonischen Quarzsand; den torridonischen Granitstein; den Torf der nahe liegenden Stechfelder. Die salzhaltige Luft des Ozeans. Den stürmischen Westwind, der niemals ein Ende findet.«
    Anne leckte sich genüsslich über die Lippen, dann fuhr sie fort: »Irrt sich der Kellermeister, vielleicht nur um Wochen oder gar Tage, und verpasst er den richtigen Moment, entweichen all diese Geschmacksverfärbungen. Übrig bleibt ein fades Gesöff ohne Kraft und Charakter. Eines, das übellaunig macht; ähnlich wie ein angebranntes Spiegelei, das man zum Frühstück kredenzt bekommt.«
    »Du kennst dich gut aus mit Whiskys«, sagte Robert durchaus beeindruckt.
    »Ich habe so meine Erfahrungen gemacht. Eddie McArthur, der so genannte
head brewer
, ist ein entfernter Bekannter. Leider ist er nur allzu selten bereit, mir Schätze aus den Bowmore-Kellern zu überlassen.«
    Anne öffnete die Flasche und hielt sie ihm hin. Robert schnüffelte vorsichtig daran. »Riecht irgendwie nach kandierten Früchten und Zimt.«
    »Gut erkannt.«
    Sie legte ihm sanft eine Hand auf den Arm. Es erschien Robert wie eine beiläufige Geste, wie sie unter guten Freunden üblich war – und dennoch erzeugte sie unbestimmbare Hitze in ihm.
    Anne schenkte ein. Gluckernd rollte die Flüssigkeit in die Gläser. Kleine Spritzer des mahagonifarbenen Getränks leckten über die Ränder.
    »Genug!«, sagte Robert schließlich. »Ich hatte schon einen. Ich möchte während der nächsten Stunden halbwegs bei Verstand bleiben.«
    »Dies ist ein Göttergetränk, mein Freund! Du wirst den Alkoholgehalt kaum merken; lediglich ein angenehm wärmendes Gefühl im Leib. Deine Sinne werden geschärft, deine Gedanken klarer. Voraussetzung ist, dass du mit Bedacht trinkst und mit ungefähr einem Drittel Wasser verdünnst.«
    Sie wartete keinen Einspruch ab, sondern füllte beide Gläser mit Wasser aus der Karaffe bis zum Rand.
    »Cheers!«, sagte sie schließlich, und hob ihr Glas zum Toast.
    »Cheers!«
    Robert beobachtete Anne. Sah, wie sie nippte, und tat es ihr gleich. Wenige Tropfen Whisky füllten seinen Mundraum. Er ließ sie umhergleiten, als spüle er aus, benetzte all seine Geschmacksknospen damit.
    Es war unglaublich.
    »Warm, weich und sanft«, sagte er, ohne auch nur einen Moment lang darüber nachzudenken, dass er möglicherweise Unsinn schwafelte. »Ein rauchiger Unterton oder Beigeschmack. Früchte. Meer. Sehnsucht. Leidenschaft ...«
    Bilder entstanden vor seinem inneren Auge. Ein mittelalterliches Stadtbild. Menschen, deren Gesichter nicht erkennbar waren, wanderten durch enge Straßen. Im Hintergrund blähten sich die Segel einer kleinen Fischerflotte. Wind peitschte gegen steinerne Wände, ein paar Flammen brannten in besonders geschützten Nischen ...
    »Gut erkannt«, lobte ihn Anne Lanschie. »Das hört sich wie eine professionelle Kritik an.«
    Ihre Worte rissen ihn in die Gegenwart zurück. In eine aufregend attraktive Gegenwart, die hauptsächlich von glühenden Augen, einem vollen Mund und einem umwerfenden Lächeln ausgemacht wurde.
    »Danke.«
    »Geht’s dir nun besser?«, fragte Anne. Ihr Lächeln vertiefte sich.
    »Ich verstehe nicht ...«
    »Ich lese in den Gesichtern der Menschen und erkenne ihre Probleme. Zu meinem großen Bedauern gelingt mir das nicht bei jedermann. Aber du bist sehr leicht zu durchschauen.« Sie hob den Arm und streichelte mit dem Handrücken über seine Wangen. »Was andere als Altersfalten ansehen, ist für mich ein Ausdruck von Schmerz. Und davon hast du eine gewaltige Menge im Gesicht sitzen.« Absolute Ernsthaftigkeit schwang in Annes Stimme mit.
    »Mag sein ...«
    »Dann erzähl mir davon!«
    Nein! Unter keinen Umständen! Seit Jahren schon lag
es
verdrängt, gut und tief versteckt in den Abgründen seines Geistes. Manchmal drängte es hoch, ließ Robert unsinnige Dinge tun, die Flucht vor den besten Freunden ergreifen oder Halt im Suff finden. Er wollte kein Mitleid, keine Anteilnahme. Er hasste

Weitere Kostenlose Bücher