Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes - Thurner, M: Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes
anzusagen.«
»Das hört sich sehr kriegerisch an. Glaubst du denn, dass du den Schotten, Iren und vor allem Amerikanern auf dem internationalen Markt beikommen kannst?«
»Selbstverständlich.«
Darby O’Gill sagte es leise und dennoch mit viel Selbstvertrauen. So als wüsste er, dass er sein Ziel auf jeden Fall erreichen würde.
Nadja lehnte sich zurück. Sie meinte, das Rauschen des Ouse und des anderen kleinen Flusses – wie hieß er doch gleich? Ach ja: Foss River! – hören zu können. Sie fühlte sich seltsam aufgekratzt und nach wie vor hungrig. Das Mischgemüse und ein paar Bissen Kartoffel hatten sie nicht satt gemacht.
Heather tauchte wieder einmal wie aus dem Nichts auf und räumte den Tisch sauber. Sie brachte zwei Portionen glitschigen Puddings mit sich, die Nadja mit Darbys Erlaubnis beide aß. Sie brauchte ein paar Augenblicke Ruhe, um nachzudenken. Sie musste verarbeiten, was ihr Begleiter erzählt hatte. Sein beruflicher Ehrgeiz war groß, und seine Ansätze klangen vernünftig, wenn die Ziele auch sehr hochgesteckt waren. Und dennoch; irgendetwas erschien ihr faul an der Sache. Bei den wichtigsten Informationen blieb Darby seltsam schwammig. Sie würde nach dem Abendessen noch ein paar Recherche-Einheiten absolvieren müssen, um mehr über seine Familie und sein geschäftliches Umfeld herauszufinden.
»Ich möchte dir etwas zeigen«, sagte er, nachdem er eine Weile geschwiegen und mit geschlossenen Augen auf seinem Stuhl auf und ab geschaukelt hatte.
»Eigentlich bin ich so müde, dass ich auf der Stelle einschlafen könnte.«
»Du lügst und nicht einmal besonders charmant.« Darby O’Gill beugte sich weit zu ihr vor. »Bin ich denn so uninteressant, dass du nicht noch eine halbe Stunde für mich opfern willst?«
»Na schön. Aber nicht länger. Mein Aufpasser wird unruhig, wenn ich nicht vor Mitternacht in unserem gemeinsamen Hotel auftauche.«
»Dieser Fotograf? – Mach dir keine Sorgen. In York herrscht heute Ausnahmezustand. Da geht niemand vor den frühen Morgenstunden zu Bett. Sicher auch nicht dein Kumpel.«
»Wofür wahrscheinlich deine bildhübschen Damen vom Catering-Service verantwortlich sind, nicht wahr? Sicherlich sind sie angewiesen, Springwater die ganze Nacht hindurch gratis anzubieten.«
»Du kannst in mir lesen wie in einem Buch.« Darby grinste spitzbübisch.
Das Lachen stand ihm gut. Es wischte die Züge des harten Geschäftsmanns beiseite und ließ ihn noch jugendlicher aussehen, als er ohnehin schon wirkte.
Er übte einen unerklärlichen Reiz auf sie aus. Nadja war kein Mädchen, das sich von Reichtum und Erfolg blenden ließ. Doch bei Darby verspürte sie ein seltsames Kribbeln, das ihr selbst ganz und gar nicht recht war.
»Eine halbe Stunde also«, sagte sie. »Wohin willst du mich bringen?«
»Es ist nicht weit. Und es soll eine Überraschung sein. Also lass dich von mir führen.«
Sie standen auf. Darby ließ ausreichend Geld auf dem Tisch liegen, grüßte Iain aus der Ferne, und gemeinsam verließen sie das Eborachonn. Nadja fühlte, dass seltsame Schwummrigkeit ihren Kopf erreichte. Offenbar setzte ihr der Whisky mehr zu, als sie geglaubt hatte.
Zum Teufel: Hatte Darby gesagt, dass er sie
führen
oder
verführen
wolle?
Mehr als hundert Stufen ging es hoch, raus aus dem tief liegenden Kellergeschoss, zurück an die frische Luft. Nadja atmete kräftig durch. Überall knallten Feuerwerkskörper. Durch den Snickelway hatte sie Ausblick auf ausgelassenes Treiben, das in einem der größeren Straßenzüge herrschte. Ein paar ernsthaft dreinblickende Würdenträger trieben ein Rollgestell vor sich her, auf dem eine Guy-Fawkes-Puppe aus Stroh verbrannt wurde. Dahinter bewegte sich ein zweiter Wagen, auf dem eine Bischofsfigur ein ähnliches Schicksal ereilte.
»Diese Figur stellt den Papst dar«, sagte Darby O’Gill gut gelaunt. »Der Brauch stammt noch aus den alten Tagen. Als Guy Fawkes hingerichtet wurde, befand sich die anglikanische Kirche noch in den Anfangsjahren. Der Feiertag des fünften November steht deshalb für eine gelungene Emanzipation von Rom.«
»Hm.« Das Treiben, so ausgelassen und heiter es auch wirkte, barg trotz alledem einen gewissen Konfliktstoff. Und es zeigte ihr, wie anders die Inselbewohner im Grunde genommen waren.
»Können wir?«, fragte Darby. Sein Gesicht leuchtete im Feuer der Fackeln. Es verlieh ihm einen diabolischen Anstrich.
»Ja, gerne. Wohin müssen wir gehen?«
O’Gill deutete nach oben.
»Ich verstehe
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