Elfenzeit 5: Schatten des Totenreiches - Schartz, S: Elfenzeit 5: Schatten des Totenreiches
sich.
»Darf ich mich ein wenig umsehen? Ich bringe nichts durcheinander, ich verspreche es – aber ich kann angesichts dieser Schätze hier nicht still sitzen!«
»Ich durchsuche Sie dann beim Rausgehen«, kam es aus der Küche.
Der Schotte wanderte durch den von oben bis unten vollgestopften Raum, ließ seine Blicke schweifen, gab ab und zu Kommentare und näherte sich dabei dem Ort, der ihn tatsächlich interessierte – dem Arbeitstisch mit dem hochmodernen Computer. Seine scharfen Elfenaugen erkannten schon aus der Entfernung, wonach der Mystiker gerade recherchierte –
Anne Lanschie
. Und da stand Nadjas Name, eingekreist. Dort auf einem anderen Wisch noch einmal. Ihre Telefonnummer. Darby runzelte die Stirn. Er wollte schon nach den Zetteln greifen, da kam sein Gastgeber mit einem Tablett zurück, eingehüllt in eine köstlich duftende Wolke.
In seinem ganzen Leben in der Menschenwelt hatte Darby noch nie so guten Kaffee getrunken. Der Mystiker hatte damit einige Punkte bei ihm gewonnen. Damit der Kaffee auf Dauer nicht zu eintönig wurde, zog Darby eine kleine Whiskyflasche hervor – »aus seiner Brennerei«, wie er erklärte –, und Nicholas beeilte sich, zwei saubere Gläser zu holen. Mit leuchtenden Augen sah er beim Einschenken zu.
Sie unterhielten sich eine ganze Weile angeregt und tauchten immer tiefer in Geheimnisse und Mythen ein. Wie sich herausstellte, kannte Nicholas sich recht gut in Schottland aus und hatte dort viele Studien betrieben, also waren sie bald in Fachsimpeleien vertieft. Draußen war es längst dunkel, der Abend schritt voran, aber Nicholas Abe schien das nicht zu stören. Auch Darby O’Gill fühlte sich erstaunlich wohl; er plauderte mehr von sich aus, als ihm lieb sein konnte, doch der alte Mystiker war ein verschwiegener Mann. So lange, wie er schon Geheimnisse aufdeckte, nur um ihren Kern noch weiter zu behüten, wusste er sicher um die wahre Existenz der anderen Welten. Doch er hatte dieses Wissen nicht weiterverwendet, nur angedeutet in seinen Büchern und wissenschaftlichen Theorien. Die Grenze zwischen den Welten hatte Nicholas Abe nie überschritten.
Schließlich konnte Nicholas es nicht mehr länger aushalten und kam wieder auf den scheinbaren Grund von Darbys Besuch zurück. »Nun rücken Sie endlich damit heraus: Was für ein Projekt wollen Sie auf die Beine stellen?«
»Unsterblichkeitsmythen«, antwortete Darby.
Der Mystiker blinzelte. »Aber darüber haben schon viele geschrieben.«
»Alle gesammelt in einem Band, der nur dieses Thema hat?«
»Hmmm ... nein. Ich habe mal ein ähnliches Buch veröffentlicht, aber eben nur ausgewählte Mythen, die ...«
»Ich möchte
alle
sammeln. Aus der ganzen Welt.«
»Na«, bemerkte Nicholas trocken, »da haben Sie sich was vorgenommen. Das nimmt Jahre, wenn nicht Jahrzehnte in Anspruch, und ich weiß gar nicht, ob ich noch so lange lebe!«
»So schlimm ist es nicht«, versetzte Darby. »Mit der entsprechenden Organisation und genügend Helfern schaffen wir das in zwei Jahren. Und mehr Zeit will ich uns auch nicht geben, mir schwebt sogar eher ein Jahr vor. Ich bin kein sehr geduldiger Mann.«
Natürlich nicht
, fügte er in Gedanken hinzu.
Wer weiß, wie viel Zeit mir und meinem Volk noch bleibt
. Auch wenn er sich nicht gut mit den Elfen verstand, legte Darby doch keinen Wert darauf, der alleinige Bewohner der Anderswelt zu werden. Er wusste, wohin er gehörte.
Der Mystiker grübelte. Er war längst Feuer und Flamme; in seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken, das war ihm deutlich anzusehen. »Nun ja, ein paar Mythen haben wir ja schon, von denen ich weiß, und ...« Er stand auf und suchte eine Weile in den Regalen, bis er mit einem Buch zurückkam, auf dem sein Name prangte. Er schlug das Inhaltsverzeichnis auf und las Darby vor, der aufmerksam zuhörte. Als Abe den Kapiteltitel »Was Nidhögg verbirgt« nannte, horchte er auf.
»Nidhögg, der Neidische Drache?«, hakte er nach.
»Eben der«, nickte der Mystiker.
Darby fiel es wie Schuppen von den Augen. Warum hatte er daran nie gedacht!
Ganz einfach
, gab eine innere Stimme ihm Antwort.
Weil keiner von uns mehr dort gewesen ist, weil
sie
sich selbst vor uns verbirgt. Ihr habt
sie
vergessen, doch nicht die Menschen! Sie suchen
sie
noch immer
.
»Wenn einer das Geheimnis der Unsterblichkeit kennt, dann er«, fuhr Nicholas fort. »Nidhögg steht für den Tod und die Wiedergeburt, er ist der Neumond und damit das Geheimnis selbst, das er hütet.«
»Das
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