Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
meine Ziele kennen.“
Sirus schaute ihn ernst an. Robert spürte keine Falschheit in diesem Blick. Was hinter diesen hellen Augen vor sich ging, war etwas ganz Anderes, als er es von dem schwarzen Priester kannte. „Ich möchte, dass du dich darauf besinnst. Und auf das, was hinter diesen Zielen liegt, den tieferen Grund.“
„ Ich soll mich besinnen, damit du leichteres Spiel mit mir hast“, gab Robert zurück. „Aber ich werde keinen Handel mit dir eingehen.“
„ Das war mir klar, bevor du hierher kamst. Du kannst tun, was dir beliebt.“ Sirus lächelte schwach. „Ich gebe dir, was ich habe, denn du bist mein einziger Erbe. Wenn ich auf meiner Insel bleiben muss, dann hoffe ich, du weißt etwas damit anzufangen.“
Robert wusste bereits, wovon Sirus redete, doch seine Erfahrung besagte, dass er diesen Schatz nicht geschenkt bekommen würde.
„Ja, ich lese in deinem Gesicht, dass du sie willst, meine Schriftensammlung“, stellte Sirus fest. „Sie beinhaltet alle Bücher, die du eigenhändig verbrannt hast, weil der Richter sie dich nicht haben ließ - und weitaus mehr als das. Bedeutende Schriften aus Jahrhunderten vor meiner Zeit, und Aufzeichnungen aus Jahrhunderten nach meinem Gang in den Scheol. Ich ließ alles sammeln, was Wert hat, ein Erinnerungsschatz der Menschheit, der Antworten auf so viele deiner Fragen bietet. Ami-el wird dich dorthin führen, wenn du wieder dort draußen bist. Dieses eine Mal musst du dich noch mit ihm abgeben, aber ihr braucht nicht zu reden.“
„ Du überlässt mir das alles nicht einfach so.“ Robert konnte das nicht glauben, doch der Blick des Königs ruhte auf ihm mit einer Milde, die beinah schmerzte. Hier war ein anderer Geist zu spüren als der des schwarzen Priesters. Elmor mit seiner Bösartigkeit spukte ihm im Kopf herum, doch er konnte hier nichts davon erspüren.
Sirus gab keine Antwort, er schaute Robert forschend an. „Was war dein eigentliches Ziel, bevor du in jener Nacht auf dem Altar dein Herz begraben hast?“ Und die folgenden Fragen reihte er langsam aneinander, als denke er selbst über die Antwort nach. „Warum bist du zurück in dein Elternhaus gegangen, als dort niemand mehr war? Warum hast du die Pferdezucht übernommen? Warum hast du dich mit Katharina befreundet und sie unterstützt? Warum bist du in die Kirche eingetreten, hast diesen Hochaltar gestiftet, Kontakte zu den Menschen im Dorf gepflegt? Warum bist du dem schwarzen Priester erlegen, hast dich ihm untergeordnet, trotz deines Freiheitsdrangs? Was steckt wirklich hinter dem allem, wo liegt dein eigentlicher Antrieb?“
Robert wollte über all diese Entscheidungen aus seinem Leben gar nicht nachdenken. „Du wirst es doch schon wissen“, erwiderte er lapidar.
„ Sag es mir“, forderte Sirus ihn auf. „Wenn du dich nicht darauf besinnst, dann wirst du bald zwischen diesen Schriftstücken sitzen, die die Weisheit der Welt in sich bergen - und nichts mit ihnen anzufangen wissen. Sie können nur ein Mittel zum Zweck sein, nicht der Zweck an sich. Was also willst du?“
„ Einen Ort, wo ich sein kann“, sagte Robert, ohne dass er zuvor überlegt hätte. Doch er merkte, dass diese Antwort genau den Punkt traf, obwohl sie nur einer verblassten Erinnerung entstammte.
Sirus‘ Augen weiteten sich ein wenig, die Mundwinkel zuckten. „Ja“, bestätigte er. „Das ist es.“ Er atmete einmal durch. „Klingt so leicht - und ist doch so schwer.“
„Das ist vorbei“, warf Robert ein. „Ich erinnere mich kaum.“
„ Die Frage nach dem Wohin wird wiederkommen“, prophezeite Sirus. „Sobald alles erledigt ist, was dir derzeit die Sicht verbaut, wird sie wiederkommen. Und die Antwort darauf liegt nicht in den alten Schriften. Sie fällt dir auch dann nicht zu, wenn der Richter seine Rechnungen bei dir bezahlt hat. Die Frage nach dem ‚Wohin‘ ist immer mit dem ‚Woher‘ verknüpft. Wenn du endlich weißt, wer du bist, dann wirst du auch wissen, wohin du gehörst.“
Robert gefiel diese Antwort nicht wirklich, obwohl er im Innersten wusste, dass Sirus die Wahrheit sprach. „Du willst mir suggerieren, dass ich dich brauche.“
„Du brauchst einen festen Grund, auf den du deine Füße stellst“, gab Sirus entschieden zurück. „Und du weißt selbst, dass ich dir damit die Wahrheit sage. Ich bin kein Lügner, kein Intrigant. Ich locke dich nicht in eine Falle. Denk nach, stell mir deine Fragen, jetzt ist die Zeit dazu.“ Dem König blitzte der Eifer aus den Augen,
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