Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
will nicht fort", entgegnete Tadeya entschieden. "Sag mir, wer dieser Mann ist. Wenn du dich ihm entgegenstellst, dann werde auch mich zur Wehr setzen."
"Nein", erwiderte Robert nicht minder fest. "Schon deine Mutter war ihm gegenüber wehrlos wie ein kleines Kind in der Gewalt eines erwachsenen Mannes. Dir wird es nicht anders ergehen."
Tadeya lehnte sich zu ihm vor und sprach betont die Frage aus, die ihr auf dem Herzen brannte: " Wer ist er?"
Die Antwort ließ eine Weile auf sich warten. Sie sah deutlich die Anspannung in seinem Gesicht, in seiner Haltung. Doch die dunklen Augen blieben leer, bis auf das flackernde Licht der Lampe, das in ihnen tanzte. Erst, als Tadeya bereits dachte, er würde gar nicht mehr antworten, begann er mit einer Stimme zu reden, die deutlich den nur schwer in Zaum gehaltenen Zorn wieder spiegelte.
"Der Name, den er mir genannt hat, ist vielleicht nur eine Erfindung, ebenso unverlässlich, wie jedes Wort, das aus seinem Mund kommt. Er ist ein Zauberer, ein Priester schwarzer Magie. Seinen Leuten nennt er keinen Namen, ihn zu rufen. Für sie ist er ihr Meister. Wer er wirklich ist, weiß nur er selbst. "
Tadeya war von dieser rätselhaften Offenbarung wie in den Bann geschlagen. Es war ihr, als sei ein böses Wesen aus einem Märchen plötzlich in die Realität ihres Lebens getreten. Konnte ein solcher Mann, von dem Robert sprach, tatsächlich existieren?
Er fuhr in unverändertem Ton fort. Seine Worte fanden einen düsteren Widerhall in ihrem Inneren, als sei in ihrem Unterbewussten dies alles eine längst bekannte Wahrheit.
"Er steht über jeder Moral und ist Richter nach seinem eigenen Gesetz. Er schafft und zerstört. Und er liebt nichts." Robert hielt kurz inne, um dann, mit leerer Stimme, aus dem plötzlich jede Gefühlsregung gewichen war, den einen, letzten Satz zu sprechen. " Er ist ein Gott, der seine Kinder frisst ."
Danach war nur noch das Knistern der kleinen, rauchenden Flamme zwischen ihnen zu hören. Sogar Tadeyas Atem stockte für Sekunden. Hatte sie jemals Ähnliches gehört? Oder trug sie seit Kindesbeinen eine finstere Ahnung in sich, dass ein böses Geheimnis darauf wartete, eines Tages in ihr Leben zu brechen?
Sie musste sich zusammenreißen, um sich nicht jenen finsteren Visionen hinzugeben, die seine Worte in ihrer Seele heraufbeschworen. Ihre Stimme klang belegt, als sie fragte: "Wer sind seine Kinder?"
Auch diesmal antwortete er nicht sofort. Sein Blick haftete auf ihrem Gesicht und ihr war bewusst, dass er mehr sah, als nur die bloße Fassade. Am liebsten hätte sie ihre Gedanken und Gefühle vor ihm verborgen, doch lag dies außerhalb ihrer Kontrolle. Für sie selbst war er undurchdringbar. Nur das ohnehin Offensichtliche war ihr vor Augen.
"Deine Mutter", erwiderte er tonlos. "Und damit auch du und ich."
Tadeya schüttelte stumm den Kopf. Sie konnte sich einiges ausmalen, was sich zwischen den Zeilen dieser zugleich vagen und inhaltsschweren Aussagen verbarg. Doch jeder Versuch einer Interpretation vergrößerte nur das Grauen, das sich schleichend ihrer bemächtigte.
Hatte der unbekannte Mann, der nach Roberts Worten nun Tadeyas Leben bedrohte, die eigene Tochter für seine rätselhaften Zwecke missbraucht und in den Selbstmord getrieben? War sie selbst eine Enkelin dieses namenlosen Meisters ? Und wie passte Robert in die ganze Geschichte? Er war, wie sie schon lange vermutete, ein Teil ihrer eigenen Familie.
"Robert", nannte sie nach Minuten neuerlichen Schweigens seinen Namen. "Sind wir Geschwister, du und ich?" Er ging jedoch nicht weiter darauf ein.
" Sie hat er bereits gefressen", fuhr er mit dieser gefühlsentleerten Stimme fort. "Missbraucht und zerstört. Und du wirst nach mir folgen, wenn du hier bleibst und auf dein Schicksal wartest."
"Was hat er dir angetan?" stellte sie eine weitere Frage, in dem Bewusstsein, dass er ihr wahrscheinlich auch diesmal die Antwort verweigern würde. Sie konnte ihn nicht zwingen, preiszugeben, was er ihr nicht anvertrauen wollte. Doch hatte sie bereits weit mehr erfahren, als sie nach den vorangegangenen, fruchtlosen Gesprächen auch nur zu träumen gewagt hätte. Vielleicht war eine Flucht tatsächlich notwendig. Doch wollte sie, wenn es denn sein musste, so viele Informationen wie möglich mit auf diesen Weg nehmen.
Zu ihrer Überraschung und Bestürzung bot er ihr doch eine Antwort auf die zuletzt gestellte Frage. Er streifte mit einer schnellen Bewegung seine Handschuhe ab und hielt nur für
Weitere Kostenlose Bücher