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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Funke Leben
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Men­schen –, für Men­schen, die sie nicht kann­ten.
    Was ist los mit mir? dach­te 509. Trä­nen? Ich? Ein al­ter Mann?
    Neu­bau­er be­trach­te­te den An­zug. Sel­ma hat­te ihn an die vor­ders­te Stel­le
in sei­nem Schrank ge­hängt. Er ver­stand den Wink. Zi­vil – er hat­te das seit 1933
nicht mehr ge­tra­gen. Ein grau­er »Pfef­fer-und-Salz«-An­zug. Lä­cher­lich. Er nahm
ihn vom Bü­gel und be­trach­te­te ihn. Dann zog er die Uni­form aus, ging zur Tür
des Schlaf­zim­mers, schloß sie ab und pro­bier­te die Ja­cke des An­zu­ges. Sie war
zu eng. Er konn­te sie nicht zu­knöp­fen; auch nicht, wenn er den Bauch ein­zog. Er
trat vor den Spie­gel. Er sah al­bern aus. Er muß­te min­des­tens drei­ßig, vier­zig
Pfund zu­ge­nom­men ha­ben. Das war schließ­lich kein Wun­der; vor 33 hat­te man
ver­dammt spa­ren müs­sen.
    Son­der­bar, wie die Ent­schlos­sen­heit sich aus ei­nem Ge­sicht ver­lor, wenn die
Uni­form fehl­te! Man wur­de wabb­lig, weich.
    Fühl­te sich auch so. Er be­trach­te­te die Ho­se.
    Sie wür­de noch we­ni­ger pas­sen als die Ja­cke. Kei­nen Zweck, sie zu pro­bie­ren.
Wo­zu über­haupt das Gan­ze? Er wür­de das La­ger über­ge­ben, kor­rekt. Man wür­de ihn
mi­li­tä­risch kor­rekt be­han­deln.
    Es gab da­für Tra­di­tio­nen, Um­gangs­for­men, mi­li­tä­ri­sche Über­lie­fe­run­gen. Man war
ja selbst Sol­dat. So gut wie Sol­dat.
    Uni­form­trä­ger. Ho­her Of­fi­zier. Man ver­stand sich da.
    Neu­bau­er reck­te sich. Man wür­de ihn in­ter­nie­ren, das war mög­lich. Für ei­ne
kur­ze Zeit si­cher­lich nur. Viel­leicht auf ei­nem Schloß in der Um­ge­bung, mit
Her­ren des­sel­ben Ran­ges. Er über­leg­te, wie er das La­ger über­ge­ben soll­te.
Mi­li­tä­risch, selbst­ver­ständ­lich.
    Straf­fer Sa­lut, kein Hitler­gruß mit er­ho­be­ner Hand. Nein, bes­ser nicht.
    Mi­li­tä­risch, ein­fach, Hand an der Müt­ze.
    Er mach­te ein paar Schrit­te und sa­lu­tier­te. Nicht steif, nicht wie ein
Un­ter­ge­ord­ne­ter.
    Er pro­bier­te es noch ein­mal. Es war gar nicht so leicht, die rich­ti­ge Mi­schung
von Kor­rekt­heit und ele­gan­ter Wür­de her­aus­zu­krie­gen. Die Hand flog zu hoch.
Im­mer noch die­ser ver­damm­te Hitler­gruß. Ei­gent­lich ei­ne blöd­sin­ni­ge Art zu
grü­ßen, für er­wach­se­ne Men­schen. Die Hand hoch­rei­ßen – das paß­te für
Wan­der­vö­gel, aber nicht für Of­fi­zie­re. Son­der­bar, daß man es so lan­ge ge­macht
hat­te!
    Er ver­such­te wie­der den Mi­li­tär­gruß. Lang­sa­mer! Nicht so rasch. Er sah sich im
Spie­gel des Klei­der­schran­kes, trat ei­ni­ge Schrit­te zu­rück und ging auf sich zu.
»Herr Ge­ne­ral, ich über­ge­be hier­mit ...«
    Un­ge­fähr so. Frü­her übergab man da­bei den De­gen. Na­po­le­on III. bei Se­dan; er
er­in­ner­te sich dar­an, von der Schu­le her. Er hat­te kei­nen De­gen. Den Re­vol­ver?
Aus­ge­schlos­sen!
    An­de­rer­seits: Waf­fen konn­te er nicht be­hal­ten, jetzt fehl­te ei­nem doch das
mi­li­tä­ri­sche Trai­ning. Soll­te er das Kop­pel mit dem Re­vol­ver vor­her ab­neh­men?
    Er ver­such­te noch ein­mal ei­ni­ge Schrit­te. Nicht zu nah her­an, na­tür­lich. Ei­ni­ge
Me­ter vor­her hal­ten. »Herr Ge­ne­ral ...«
    Viel­leicht auch: Herr Ka­me­rad. Nein, nicht, wenn es ein Ge­ne­ral war. Aber
viel­leicht stram­mer Gruß und dann Hän­de­druck. Kurz, kor­rekt. Kein
Hän­de­schüt­teln.
    Schließ­lich: die Ach­tung des Fein­des vor dem Fein­de.
    Of­fi­zier zu Of­fi­zier. Ka­me­ra­den ei­gent­lich al­le, im großen Sin­ne, wenn auch aus
feind­li­chen La­gern. Man hat­te ver­lo­ren, nach tap­fe­rem Kamp­fe. Ach­tung dem
ehr­li­chen Be­sieg­ten.
    Neu­bau­er fühl­te den frü­he­ren Post­se­kre­tär in sich er­be­ben. Er spür­te es wie
einen his­to­ri­schen Au­gen­blick. »Herr Ge­ne­ral.«
    Wür­dig. Da­nach Hän­de­druck. Viel­leicht ein kur­z­es Es­sen zu­sam­men, wie man es
ge­hört hat­te von rit­ter­li­chen Geg­nern.
    Rom­mel mit ge­fan­ge­nen Eng­län­dern. Scha­de, daß man nicht Eng­lisch sprach. Nun,
es gab Über­set­zer ge­nug un­ter den Ge­fan­ge­nen im La­ger.
    Wie man sich in die al­te Art, mi­li­tä­risch zu grü­ßen, rasch

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