E.M. Remarque
drittemal, daß was da war. Kein Zufall.«
»Kann es einer von den Unseren gewesen sein, die im Munitionswerk aufräumen?«
»Nein. Sie sind nicht herübergekommen. Wir würden es auch wissen. Es muß jemand
von außen sein.«
Die Untergrundbewegung des Lagers hatte schon seit längerer Zeit versucht,
Waffen zu bekommen. Sie erwartete einen Endkampf mit der SS und wollte
wenigstens nicht ganz wehrlos sein. Es war fast unmöglich gewesen, Verbindungen
zu bekommen; aber seit dem Bombardement hatte das Aufräumkommando plötzlich an
bestimmten Stellen Waffenteile und Waffen gefunden. Sie waren unter Schutt
versteckt gewesen und mußten von Arbeitern dorthin placiert worden sein, um in
der Unordnung der Zerstörung gefunden zu werden. Diese Funde waren der Grund
dafür, daß das Aufräumkommando plötzlich mehr Freiwillige hatte als sonst. Es
waren alles verläßliche Leute.
Die Häftlinge passierten eine Wiese, die mit Stacheldraht eingefriedet war.
Zwei Kühe mit weißrotem Fell kamen dicht an den Draht und schnoberten. Eine
muhte. Ihre friedlichen Augen glänzten. Fast keiner der Gefangenen sah hin; es
machte sie nur noch hungriger, als sie schon waren.
»Glaubst du, daß sie uns heute vor dem Wegtreten untersuchen werden?«
»Warum? Sie haben es gestern doch auch nicht getan. Unser Kommando war nicht in
der Nähe der Waffenabteilung. Nach dem Aufräumen außerhalb des Munitionswerkes
untersuchen sie gewöhnlich nicht.«
»Man weiß nie. Wenn wir die Sachen wegwerfen müssen ...«
Werner blickte gegen den Himmel. Er leuchtete in Rosa und Gold und Blau. »Es
wird ziemlich dunkel sein, wenn wir ankommen. Wir müssen sehen, was passiert.
Hast du deine Patronen gut eingewickelt?«
»Ja. In einem Lappen.«
»Gut. Wenn etwas geschieht, gib sie nach rückwärts zu Goldstein. Der gibt sie
weiter zu Münzer. Der zu Remme. Einer von ihnen wird sie wegwerfen. Wenn wir
Pech haben und die SS an allen Seiten ist, laß sie in der Mitte der Gruppe fallen,
wenn es nötig ist. Wirf sie nicht zur Seite. Sie können dann keinen Bestimmten
fassen. Ich hoffe, daß das Kommando vom Baumroden gleichzeitig mit uns ankommt.
Müller und Ludwig wissen dort Bescheid. Beim Einrücken wird ihre Gruppe ein
Kommando falsch verstehen, wenn wir untersucht werden, und in unsere Nähe
kommen und die Sachen aufnehmen.«
Die Straße machte eine Kurve und näherte sich in einer langen, geraden Linie
wieder der Stadt. Schrebergärten mit Holzlauben säumten sie ein. Leute in
Hemdsärmeln arbeiteten darin. Nur wenige blickten auf. Sie kannten die
Häftlinge schon.
Der Geruch von aufgebrochener Erde kam von den Gärten herüber. Ein Hahn krähte.
Schilder für Automobilisten standen am Rande: Achtung, Kurve. Siebenundzwanzig
Kilometer bis Holzfelde.
»Was ist denn das da hinten?« fragte Werner plötzlich. »Ist das schon das
Baumkommando?«
Weit vor ihnen auf der Straße sahen sie eine dunkle Masse von Menschen. Sie war
so weit, daß man nicht erkennen konnte, wer es war. »Wahrscheinlich«, sagte
Lewinsky. »Sie sind früher als wir. Vielleicht holen wir sie noch ein.«
Er drehte sich um. Hinter ihnen wankte Goldstein. Er hatte die Arme um die
Schultern von zwei Mann gelegt und schleppte sich dahin. »Kommt«, sagte
Lewinsky zu den beiden, die ihn trugen. »Wir werden euch ablösen. Nachher, vor
dem Lager, könnt ihr ihn wieder nehmen.«
Er nahm Goldstein von der einen Seite, und Werner stützte ihn von der anderen.
»Mein verdammtes Herz«, keuchte Goldstein. »Vierzig Jahre alt und das Herz
kaputt. Zu idiotisch.«
»Warum bist du mitgekommen?« fragte Lewinsky. »Du hättest zur Schuhabteilung
abgeschoben werden können.«
»Wollte einmal sehen, wie es außerhalb des
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