E.M. Remarque
scheint«, quäkte der Quetschtenor im Falsett.
– Ravic zahlte und ging. Draußen hielt er ein Taxi an. »Fahren Sie zum
›Osiris‹.«
Die »Osiris« war ein großes, bürgerliches Bordell mit
einer riesigen Bar in ägyptischem Stil.
»Wir schließen gerade«, sagte der Portier. »Niemand mehr
da.«
»Niemand?«
»Nur Madame Rolande. Die Damen sind alle fort.«
»Gut.«
Der Portier stampfte mißmutig mit seinen Galoschen das
Pflaster. »Wollen Sie das Taxi nicht behalten? Sie kriegen später nicht so leicht
eines mehr. Hier ist Schluß.«
»Das haben Sie mir bereits einmal gesagt. Ich werde schon
noch ein Taxi bekommen.«
Ravic steckte dem
Portier ein Paket Zigaretten in die Brusttasche und ging durch die schmale Tür
an der Garderobe vorbei in den großen Raum. Die Bar war leer; sie wirkte wie
üblich nach einem kleinbürgerlichen Symposion – Lachen von vergossenem Wein,
ein paar umgeworfene Stühle, Zigarettenreste auf dem Boden und der Geruch nach
Tabak, süßem Parfüm und Haut.
»Rolande«, sagte Ravic.
Sie stand vor einem Tisch, auf dem ein Haufen rosa
Seidenwäsche lag. »Ravic«, sagte sie ohne Erstaunen. »Spät. Was willst du – ein
Mädchen oder etwas zu trinken? Oder beides?«
»Wodka. Den Polnischen.«
Rolande brachte die Flasche und ein Glas. »Schenk dir
selbst ein. Ich muß noch die Wäsche sortieren und aufschreiben. Das Auto der
Wäscherei kommt gleich. Wenn man nicht alles notiert, stiehlt die Bande wie
eine Schar Elstern. Die Chauffeure, verstehst du? Als Geschenke für ihre
Mädchen.«
Ravic nickte. »Laß die
Musik spielen, Rolande. Laut.«
»Gut.«
Rolande schaltete den Kontakt ein. Die Musik donnerte mit
Pauken und Schlagzeug durch den hohen, leeren Raum wie ein Sturm.
»Zu laut, Ravic?«
»Nein.«
Zu laut? Was war zu laut? Nur die Stille. Die Stille, in
der man zersprang wie in einem luftleeren Raum.
»Fertig.« Rolande kam zu Ravic an den Tisch. Sie hatte
eine feste Figur, ein klares Gesicht und ruhige, schwarze Augen. Das schwarze,
puritanische Kleid, das sie trug, kennzeichnete sie als Aufseherin; es
unterschied sie von den fast nackten Huren.
»Trink etwas mit mir, Rolande.«
»Gut.«
Ravic holte ein Glas von der Bar und schenkte ein.
Rolande hielt die Flasche zurück, als das Glas halb voll war. »Genug! Ich
trinke nicht mehr.«
»Halbleere Gläser sind scheußlich. Laß stehen, was du
nicht trinkst.«
»Warum? Das wäre doch Verschwendung.«
Ravic blickte auf. Er sah das verläßliche, vernünftige
Gesicht und lächelte. »Verschwendung! Die alte französische Angst. Wozu sparen?
Mit dir wird auch nicht gespart.«
»Dies hier ist Geschäft. Das ist etwas anderes.«
Ravic lachte. »Laß uns ein Glas darauf trinken! Was wäre
die Welt ohne die Moral des Geschäftes! Ein Haufen Verbrecher, Idealisten und
Faulenzer.«
»Du brauchst ein Mädchen«, sagte Rolande. »Ich kann Kiki
telefonieren. Sie ist sehr gut. Einundzwanzig Jahre alt.«
»So. Auch einundzwanzig Jahre alt. Das ist heute nichts
für mich.« Ravic goß sein Glas wieder voll. »Woran denkst du eigentlich,
Rolande, bevor du einschläfst?«
»Meistens an gar nichts. Ich bin zu müde.«
»Und wenn du nicht zu müde bist?«
»An Tours.«
»Warum?«
»Eine Tante von mir hat da ein Haus mit einem Laden drin. Ich
habe zwei Hypotheken darauf gegeben. Wenn sie stirbt – sie ist sechsundsiebzig
–, bekomme ich das Haus. Ich will dann aus dem Laden ein Café machen. Helle
Wände mit Blumenmustern, eine Kapelle, drei Mann: Klavier, Geige, Cello; im
Hintergrund eine Bar. Klein und gut. Das Haus liegt in einem guten Viertel. Ich
glaube, daß ich es mit neuntausendfünfhundert Franks ein« richten kann, mit den
Vorhängen und Lampen sogar. Dann will ich noch fünftausend Franks in Reserve
haben für die erste Zeit. Und natürlich
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