Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
Vom Netzwerk:
blei­ben?«
    »Nein. Es ist et­was an­de­res. Ich kann nicht dar­über
spre­chen. Aber es ist et­was, das nichts mit dir und mir zu tun hat.«
    Sie stand ei­ne Wei­le re­gungs­los. »Gut«, sag­te sie dann.
    »Du ver­stehst es?«
    »Nein. Aber wenn du es sagst, wird es rich­tig sein.«
    »Du bist nicht bö­se?«
    Sie sah ihn an. »Mein Gott, Ra­vic«, sag­te sie. »Wie
könn­te ich dir je­mals für et­was bö­se sein?«
    Er blick­te auf. Ihm war, als hät­te ei­ne Hand sich fest
auf sein Herz ge­legt. Jo­an hat­te oh­ne Ab­sicht ge­sagt, was sie ge­sagt hat­te,
aber sie hät­te nicht mehr tun kön­nen, um ihn zu tref­fen. Er gab nur we­nig auf
das, was sie in den Näch­ten stam­mel­te und flüs­ter­te; es war ver­ges­sen, wenn der
Mor­gen grau vor dem Fens­ter rauch­te. Er wuß­te, daß die Hin­ge­ris­sen­heit in den
Stun­den, wenn sie ne­ben ihm hock­te oder lag, eben­so­viel Hin­ge­ris­sen­heit über
sie selbst war, und er nahm es als Rausch und leuch­ten­de Kon­fes­si­on der Stun­de,
aber nie mehr als das. Jetzt zum ers­ten­mal, wie ein Flie­ger, der durch einen
Riß glän­zen­der Wol­ken, auf de­nen das Licht Ver­ste­cken spielt, un­ten plötz­lich
die Er­de grün und braun und glän­zend er­blickt, sah er mehr. Er sah un­ter
Hin­ge­ris­sen­heit Hin­ga­be, un­ter Rausch Ge­fühl, un­ter dem Ge­klirr der Wor­te
ein­fa­ches Ver­trau­en. Er hat­te Miß­trau­en, Fra­gen und Ver­ständ­nis­lo­sig­keit
er­war­tet – aber nicht die­ses. Es wa­ren im­mer die klei­nen Din­ge, die Auf­schluß
ga­ben, nie die großen. Die großen la­gen zu na­he der dra­ma­ti­schen Ges­te und der
Ver­füh­rung zur Lü­ge.
    Ein Raum. Ein Ho­tel­raum. Ein paar Kof­fer, ein Bett,
Licht, vor dem Fens­ter die schwar­ze Öde der Nacht und der Ver­gan­gen­heit – und
ein hel­les Ge­sicht hier mit grau­en Au­gen und ho­hen Brau­en und dem küh­nen Schwung
des Haa­res – Le­ben, bieg­sa­mes Le­ben, ihm of­fen zu­ge­wandt, wie ein Ole­an­der­busch
dem Licht – da war es, da stand es, war­tend, schwei­gend, ihm zu­ru­fend: Nimm
mich! Hal­te mich! Hat­te er nicht ein­mal, vor lan­ger Zeit, ge­sagt: Ich wer­de
dich schon hal­ten?
    Er stand auf. »Gu­te Nacht, Jo­an.«
    »Gu­te Nacht, Ra­vic.«
    Er saß vor dem Café Fou­quet’s. Er saß an dem­sel­ben
Tisch wie vor­her. Er saß Stun­de um Stun­de da, ver­gra­ben in der Fins­ter­nis der
Ver­gan­gen­heit, in der nur ein ein­zi­ges schwa­ches Licht brann­te: die Hoff­nung
auf Ra­che.
    Man hat­te ihn im Au­gust 1933 ver­haf­tet. Er hat­te zwei
Freun­de, die von der Ge­sta­po ge­sucht wur­den, vier­zehn Ta­ge bei sich ver­bor­gen
ge­hal­ten und ih­nen dann ge­hol­fen, zu flie­hen. Ei­ner da­von hat­te ihm 1917, vor
Bix­schoo­te in Flan­dern, das Le­ben ge­ret­tet und ihn, als er lang­sam ver­blu­tend
im Nie­mands­land lag, un­ter ge­deck­tem Ma­schi­nen­ge­wehr­feu­er zu­rück­ge­holt. Der
zwei­te war ein jü­di­scher Schrift­stel­ler, den er seit Jah­ren kann­te. Man brach­te
ihn zum Ver­hör; man woll­te wis­sen, in wel­cher Rich­tung bei­de ge­flo­hen wä­ren,
was für Pa­pie­re sie hät­ten und wer ih­nen un­ter­wegs be­hilf­lich sein wür­de. Haa­ke
hat­te ihn ver­hört. Nach der ers­ten Ohn­macht hat­te er ver­sucht, Haa­ke mit sei­nem
Re­vol­ver zu er­schie­ßen oder ihn zu er­schla­gen. Er sprang in ei­ne kra­chen­de,
ro­te Dun­kel­heit hin­ein. Es war ein sinn­lo­ser Ver­such ge­gen vier be­waff­ne­te,
kräf­ti­ge Leu­te ge­we­sen. Drei Ta­ge lang tauch­te dann aus Ohn­macht, lang­sa­mem Er­wa­chen,
ra­sen­den Schmer­zen im­mer wie­der das küh­le, lä­cheln­de Ge­sicht Haa­kes auf. Drei
Ta­ge die­sel­ben Fra­gen – drei Ta­ge der­sel­be Kör­per, zer­schla­gen, fast un­fä­hig,
mehr zu lei­den. Und dann, am Nach­mit­tag des drit­ten Ta­ges, brach­te man die
Frau. Sie wuß­te von nichts. Man zeig­te ihn ihr, da­mit sie aus­sa­gen sol­le. Sie
war ein lu­xu­ri­öses, schö­nes Ge­schöpf, das ein spie­le­ri­sches, be­lang­lo­ses Le­ben
ge­führt hat­te. Er er­war­te­te, daß sie schrei­en und zu­sam­men­bre­chen wür­de. Sie
war nicht zu­sam­men­ge­bro­chen. Sie war auf die Hen­ker los­ge­fah­ren. Sie hat­te
töd­li­che Wor­te

Weitere Kostenlose Bücher