Engel im Schacht
allein lassen«, sagte ich. »Ich lasse dir meine Waffe da. Aber ich hoffe, daß die Typen denken, wir sind tot, und uns nicht mehr suchen.« Ich wechselte das Magazin aus und zwang mich, meine zitternden Beine auszustrecken. Gerade wollte ich aus dem Graben kriechen, als ich ein neues Geräusch hörte, lauter als das Knistern des Feuers, lauter auch als der Lärm, den der Feuerwehrwagen machte. Zwei Hubschrauber näherten sich von Norden. Ich duckte mich in den Graben, als sie neben dem Hangar landeten. Vorsichtig spähte ich durch das Gras hinüber. Auf den Seiten der Hubschrauber waren Zeichen aufgemalt.
Ich schob Conrads Kopf ein bißchen zur Seite, um den Feldstecher aus dem Rucksack zu holen. Die Hubschrauber hatten gewendet, so daß ich das Logo nicht erkennen konnte. Männer in braunen Uniformen sprangen aus den Helikoptern, hinter ihnen Murray mit seiner Kamera. Die Bundespolizei. Ich stieß einen Freudenschrei aus und kletterte über den Rand des Grabens.
Poeta emergit
Der Rest der Nacht verlief ziemlich wirr. Conrad auf einer Tragbahre im Helikopter. Pfleger, die mich im Krankenhaus von ihm wegzogen. Ich im Krankenhausbett, wo man meine Brandwunden versorgte. Terry Finchley an meiner Seite, der mir immer wieder dieselben Fragen stellte und mir erklärte, Conrad gehe es gut, aber er brauche Blut. Ich im aussichtslosen Kampf gegen die Schwestern, weil ich ihm Blut spenden wollte - aber mein AB negativ nützte ihm nicht viel. Mrs. Rawlings, die mit Tagesanbruch ins Krankenhaus kam und weinte: »Wieso hast du mein Baby in diese Situation gebracht?«
Lotty kam um Mittag herum, und von da an verlief das Leben wieder in geordneten Bahnen. Sie versuchte mich zu überreden, daß ich zu ihr mit nach Hause kam. Meine Verletzungen waren nicht besonders schlimm - ein paar verbrannte Haare an den Augenbrauen und eine größere Verbrennung am rechten Unterarm -, aber ich wollte Morris nicht verlassen, solange Conrad hier im Krankenhaus lag; also reservierten sie in einem nahegelegenen Motel ein Zimmer für mich.
Die Arzte hatten Conrad zwar die Kugel rausgeschnitten, sich aber nicht an seine Schulter gewagt: Lotty wollte, daß das die Spezialisten im Beth Israel machten, sobald Conrad wieder kräftig genug war, um nach Chicago gebracht zu werden.
Frisch gewaschen und angekleidet ging ich ihn am Nachmittag besuchen. Er lag so still da, daß sich mein Herz vor Schmerz bei dem Anblick zusammenkrampfte. Ich legte den Kopf auf seine Brust, um sicherzugehen, daß er überhaupt noch atmete.
Er blinzelte. »Hallo, Ms. W. Ich bin rausgefahren, um dich zu retten. Hab' ich gut gemacht, was?«
»Perfekt.« Ich küßte ihn sanft. »Du erholst dich wieder. Lotty ist hier und kommandiert die besten Arzte rum.«
Er grinste, fast so wie immer. Ich hielt seine Hand, bis er wieder eindöste, und ging dann hinaus, um mich mit einer ganzen Phalanx von Polizisten des Bundes, des Landes und der Stadt Chicago auseinanderzusetzen. Sie hätten sich sofort wie die Terrier auf mich gestürzt, wenn Lotty sie nicht davon abgehalten hätte.
Bobby Mallory repräsentierte zusammen mit Polizeipräsident Kajmowicz und einem ziemlich förmlichen Terry Finchley die Polizei von Chicago. Die Bundespolizei hatte zwei höhere Beamte geschickt, während die örtliche Polizei einen aus der Stadt Morris und einen vom Bezirk abgesandt hatte. Dazu kam noch Klavin, der Leiter von Gant-Ags eigenem Sicherheitsdienst, das Maiskolbenemblem glänzend auf seiner Uniform. Außerdem tauchte noch ein neutraler Beobachter des Bundes auf, so daß das Dutzend fast voll war. Wir alle saßen in einem überfüllten, schlecht gelüfteten Zimmer des örtlichen Polizeireviers. Die abgestandene Luft verstärkte die Gereiztheit aller Beteiligten zusätzlich.
Das Treffen verlief ziemlich chaotisch. Die örtliche Polizei hatte Anweisungen von Gant-Ag, mich wegen Hausfriedensbruchs und Zerstörung privaten Eigentums zu verhaften - sie meinten damit den Jet. Nachdem ich Bobby von dem Plan der Musketiere erzählt hatte, Conrad zu töten, mußten sich die örtlichen Beamten der Wut von Mallory beugen. Die örtlichen Behörden hätten wahrscheinlich nach wie vor behauptet, mein Wort stehe gegen das von Gantner - und welches wog wohl schwerer? -, wenn Murray nicht alles auf Video aufgenommen hätte, und die Bänder hatten mittlerweile alle angeschaut.
Unglücklicherweise war die Diskussion der Musketiere über Conrad nicht auf dem Film; sie hatte stattgefunden, als ich vor dem
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