Engelsauge - Die Jagd beginnt (German Edition)
von dem Buch?« Jadon gab mir darauf keine Antwort, aber das brauchte er auch nicht. Ich hatte besonders die letzten Tage immer wieder das Gefühl gehabt, beobachtet zu werden und jetzt wurde mir durchaus einiges klar. Es war also kein Zufall gewesen, dass der alte Mann mir dieses Buch gegeben hatte. Nur warum? Weiter kam ich nicht, denn plötzlich stand Jadon auf einmal mit weit ausgebreiteten schwarzen Flügeln vor mir und seine bernsteinfarbenen Augen blitzten mich an, als seine Vampirzähne kurz zum Vorschein kamen, ehe sie wieder verschwanden.
»Aber du solltest Angst haben, Enya. Das, was du hier siehst, das bin ich. Ein gottverdammter Slinner - das ist es, was ich bin! Jemand, vor dem du nicht sicher bist und weshalb wir nicht zusammen sein dürfen!«
»Du siehst unglaublich aus, Jadon.« Und das meinte ich wirklich ernst. Ich fand ihn vorher schon gut aussehend, aber jetzt wirkte er bald noch anziehender auf mich.
»Hör auf damit und schau richtig hin.«
»Wie soll ich damit aufhören, wenn ich dich so sehe, wenn ich so empfinde. Ich habe auch keine Angst vor dir. Ich weiß, du wirst mir nichts antun.«
Wir standen nun einander noch näher gegenüber, aber diesmal war er wieder der menschliche Jadon Cartwright, wie jeder ihn tagtäglich zu Gesicht bekam. Vorsichtig berührte er mit seiner Hand mein Gesicht.
»Enya, ich könnte dir auf der Stelle das Genick brechen oder noch schlimmer, ich könnte den Moment auskosten und mich mit deinem Blut stärken. Dein Blut duftet verführerisch für mich. Egal, was ich machen würde, aber es würde so schnell gehen, dass du nicht einmal mehr reagieren könntest. Also solltest du Angst haben. Und deshalb wirst du mich ab sofort in Ruhe lassen. Ich tue dir nicht gut.«
Er ließ von mir ab und ging mit großen schnellen Schritten an der steilen Klippe weiter. Zusehen, wie er sich mit jedem weiteren Schritt von mir entfernte, löste eine Welle des Schmerzes in mir aus, wie ich es noch nie zuvor empfunden hatte. Dieses Gefühl war so überwältigend und neu, dass ich die Tränen herunterschlucken musste. Und jetzt war ich mir dessen sicher, was ich eigentlich schon längst hätte wissen müssen, mir nur nicht eingestehen wollte. Ohne weiter nachzudenken, ging ich bis wenige Zentimeter an den Rand der Klippe. Einige Meter unter mir peitschte das Wasser an die Klippenwand und ich konnte einige Felsvorsprünge unter dem Wasserspiegel erkennen. Ich drehte mein Gesicht in Jadons Richtung und in dem Moment, als er sich noch einmal zu mir umdrehte, schaute ich ihn an, er schüttelte noch seinen Kopf und schien etwas gegen den Wind zu rufen, aber ich ließ mich einfach mit geschlossenen Augen fallen.
Ich spürte weder Schmerzen noch die kalte Nässe des Ozeans, die mich hätten erwarten müssen, stattdessen ging nur ein kurzer Ruck durch meinen Körper. Als ich meine Augen daraufhin öffnete, landete ich, gehalten in seinen Armen, neben einem Baum oben an der Klippe. Jadon hielt mich weiterhin fest, sein Atem ging stoßweise und seine angsterfüllten Augen mischten sich immer mehr mit Zorn.
»Bist du jetzt völlig verrückt geworden?«, sagte er leise und drückte mich noch enger an sich.
»Mag sein, dass ich verrückt bin, aber nur weil ich nicht von dir weggestoßen werden möchte.«
Er schaute mich an und ich konnte die Angst, die noch immer in seinem Körper weilte, sehen und spüren. Auf einmal merkte ich, was Absurdes ich da gerade getan hatte und konnte mich selbst nicht verstehen. »Oh Gott, was habe ich getan? Jadon, es, es tut mir leid, ehrlich, ich, oh Gott, ich wollte doch nicht, so was mache ich sonst nie, ich ...«, doch weiter kam ich nicht mehr, denn er drückte seinen Körper nun so eng an meinen, dass wir uns zu vereinen schienen.
Dann nahm er mit seiner rechten freien Hand mein Gesicht und wir küssten uns zum ersten Mal. Der Boden unter mir schwankte, und während ich in seinem Kuss versank, wusste ich, dass ich ihn definitiv und unwiderruflich liebte und immer lieben würde. Es war ein unglaubliches Gefühl und ich war dankbar, dass ich es fühlen durfte.
Wir blieben den ganzen restlichen Tag am Klippenmeer und genossen nicht nur die neue und noch etwas befremdliche Zweisamkeit, sondern nutzten die Ruhe und Abgeschiedenheit vor allem dafür, um uns noch intensiver kennenzulernen. Ich hatte so viele Fragen an ihn und löcherte ihn schonungslos damit, doch er nahm es ruhig und gelassen hin.
»Wie bist du eigentlich zu einem Slinner geworden?«,
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