Engelsflammen: Band 3 (German Edition)
ließ die Kasserolle und ihre Spülbürste in den Zuber fallen. »Ich werde mit ihr reden. Ich werde diese Küche verlassen und ich werde mit ihr reden.«
Bill nickte, als sei das von Anfang an der Plan gewesen. »Vergiss nur deine Position nicht. Wenn eine künftige Version von dir bei irgendeiner Internatsparty von dir aufgetaucht wäre und dir erzählt hätte …«
»Ich hätte es wissen wollen«, unterbrach Luce ihn. »Was immer es wäre, ich hätte darauf bestanden, alles zu erfahren. Ich wäre gestorben, um es zu erfahren.«
»Hmmm-hmmm. Nun.« Bill zuckte die Achseln. »Lucinda wird das nicht so sehen. Das kann ich dir garantieren.«
»Das ist unmöglich.« Luce schüttelte den Kopf. »Sie ist … ich.«
»Nein. Sie ist eine Version von dir, die in einer ganz anderen Welt von ganz anderen Eltern großgezogen wurde. Ihr teilt eine Seele, aber sie ist ganz anders als du. Du wirst schon sehen.« Er schenkte ihr ein kryptisches Grinsen. »Geh einfach vorsichtig zu Werke.« Bills Blick flog zur Tür an der vorderen Seite der großen Küche, die abrupt aufgerissen wurde. »Immer munter bleiben, Luce.«
Er ließ die Füße in den Spülzuber platschen und stieß einen heiseren, zufriedenen Seufzer aus, gerade als Miss McGovern eintrat und Henrietta am Ellbogen hinter sich herzog. Die Vorsteherin des weiblichen Hauspersonals listete die Gänge für die Abendmahlzeit auf.
»Nach den gedämpften Pflaumen …«, leierte sie dumpf.
Auf der anderen Seite der Küche flüsterte Luce Bill zu: »Wir werden dieses Gespräch fortsetzen.«
Seine steinernen Füße spritzten Seifenschaum auf ihre Schürze. »Darf ich dir den Rat geben, während der Arbeit nicht mit deinen unsichtbaren Freunden zu reden? Die Leut e werden dich sonst für verrückt halten.«
»Ich frage mich langsam selbst, ob ich verrückt bin.« Luce seufzte und richtete sich auf. Sie wusste, dass sie jetzt nicht mehr aus Bill herausholen würde, zumindest bis die anderen gegangen waren.
»Ich erwarte, dass du und Myrtle heute Abend tipptopp ausseht«, sagte Miss McGovern laut und mit einem kurzen Seitenblick auf Luce zu Henrietta.
Myrtle. Der Name, den Bill für die Empfehlungsschreiben erfunden hatte.
»Ja, Miss«, sagte Luce tonlos.
»Ja, Miss!« In Henriettas Antwort lag kein Sarkasmus. Luce konnte Henrietta ganz gut leiden, wenn sie darüber hinwegsah, wie dringend das Mädchen ein Bad brauchte.
Sobald Miss McGovern wieder aus der Küche verschwunden war, hüpfte Henrietta auf den Tisch neben Luce und ließ ihre schwarzen Stiefel hin und her baumeln. Sie hatte keine Ahnung, dass Bill direkt neben ihr saß und ihre Bewegungen nachäffte.
»Lust auf eine Pflaume?«, fragte Henrietta, holte zwei rubinfarbene Kugeln aus ihrer Schürzentasche und hielt eine davon Luce hin.
Was Luce an dem Mädchen am meisten mochte, war die Tatsache, dass sie niemals einen Finger krumm machte, es sei denn, die Chefin war im Raum. Sie bissen jeder in ihre Frucht und grinsten, als ihnen der süße Saft aus den Mundwinkeln rann.
»Ich dachte, ich hätte dich vorhin hier drin mit jemandem reden hören«, bemerkte Henrietta und zog eine Augenbraue hoch. »Hast du dir einen Freund angelacht, Myrtle? Oh, sag bitte nicht, es sei Harry, der Stallbursche! Er ist ein Schweinehund, dieser Kerl.«
Genau in diesem Moment schwang die Küchentür wieder auf, woraufhin beide Mädchen zusammenzuckten, ihre Früchte fallen ließen und so taten, als schrubbten sie die nächstbesten Teller.
Luce erwartete Miss McGovern, aber an deren Stelle kamen zwei Mädchen in schönen, zusammenpassenden Kleidern aus weißer Seide hereingestürmt. Die beiden kreischten vor Lachen, während sie einander durch die verdreckte Küche jagten.
Eine von ihnen war Arriane.
Die andere – Luce brauchte einen Moment, um sie einzuordnen – war Annabelle. Das Mädchen mit dem pinkfarbenen Haar, das Luce auf dem Elterntag kurz gesehen hatte, damals in der Sword & Cross. Sie hatte sich als Arrianes Schwester vorgestellt.
Eine Schwester.
Henrietta hielt den Blick gesenkt, als sei dieses Fangenspiel in der Küche das Normalste auf der Welt, als würde sie vielleicht Ärger bekommen, wenn sie auch nur so tat, als sehe sie die beiden Mädchen – die gewiss weder Luce noch Henrietta wahrnahmen. Für sie konnten Dienstboten nicht viel mehr sein als das übrige schmutzige Inventar der Küche, als Töpfe, Pfannen und Spülzuber.
Arriane und Annabelle trieben es aber auch wirklich toll. Als sie sich an dem Tisch,
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