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Engelsfluch

Engelsfluch

Titel: Engelsfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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keinen Mann hatte. Und für Felix war es sicher angenehm, der Schwager von Napoleon Bonaparte zu werden. Vom Hauptmann zum General steigt man üblicherweise nicht so schnell auf, zumindest nicht, ohne auf dem Schlachtfeld Kopf und Kragen riskiert zu haben. Aber letztlich war ich Felix gleichgültig, wie ihm alles gleichgültig ist, solange er seine Musik hat und seine Frauen.«
    »Seine Frauen?«

    »Mätressen, wenn Sie es so nennen wollen. Wahrscheinlich ist er bereits bei ihnen. Nein, nicht hier, er trifft sie in einem anderen Haus.«
    »Warum erzählen Sie mir das?«
    »Weil ich Sie bitten möchte, mein Freund zu sein und bei mir zu sein … heute Nacht.«
    Sie sprach aus, was ich längst schon geahnt hatte. Noch immer lagen meine Hände in den ihren, stand sie so dicht vor mir, dass mich ihr Atem streifte und ich den süßen Duft ihres Parfüms roch. Gewiss gab es schönere Frauen als Elisa, und mit Maria konnte sie sich kaum vergleichen. Aber was ihr an Schönheit mangelte, machte sie mit ihrer Ausstrahlung wett. In ihren Augen lag etwas Magnetisches, wie ich es sonst nur bei ihrem Bruder gesehen hatte, wenn er seine Soldaten dafür zu begeistern verstand, ein weiteres Mal für ihn in den Kugelhagel der Schlacht zu marschieren.
    Ich blickte tief in die großen, dunklen Augen Elisas und las in ihnen das Verlangen nach mir. In diesem Blick lag eine Verletzlichkeit, die nicht zu ihrem Stand und auch nicht zu ihrem öffentlichen Auftreten passen wollte. Ich sah die andere Elisa vor mir, das Mädchen aus Korsika, das hier in der Fremde lebte und einen Rang bekleidete, den es sich in seiner Heimat wohl niemals auch nur erträumt hatte. Aber auch mit der entsprechenden Last auf seinen Schultern. Und von mir wollte sie, dass ich sie diese Last für eine Nacht vergessen ließ.
    Unsicher, was ich tun sollte, war ich erschrocken und zugleich erleichtert, als ohne ein vorheriges Anklopfen die Tür aufgestoßen wurde und Felix Bacchiochi in Begleitung von Colonel Chenier eintrat. Der Adjutant warf der Fürstin einen bedauernden, um Entschuldigung heischenden Blick zu.
    Meine Erwartung, dass Elisas Gemahl mir Vorwürfe machen, mich vielleicht gar tätlich angreifen würde, wurde zum Glück enttäuscht. Er bedachte mich nur mit einem kurzen Blick, und der fiel überaus gleichgültig aus. Dann wandte er sich seiner Frau zu und sagte: »Du solltest dich jetzt anderen Dingen zuwenden, Elisa! Gerade ist ein Eilkurier eingetroffen. Die Österreicher unter Erzherzog Ferdinand sind in Bayern eingefallen. Eine zweite österreichische Armee unter Erzherzog Karl ist auf dem Marsch nach Italien. Wir haben Krieg!«

9
    Pescia, Freitag, 25. September
    Der Morgen lugte grau und trüb durch die großen Fenster in Enricos Hotelzimmer. Er richtete sich halb im Bett auf und betrachtete das alte Tagebuch auf dem Nachttisch. Mehr als die Hälfte von Fabius Lorenz Schreibers Aufzeichnungen hatte er jetzt gelesen, und noch immer war er skeptisch, ob er den Verfasser für einen gewissenhaften Chronisten oder für einen Aufschneider halten sollte. Erst rühmte er sich, mit Napoleon Bonaparte wissenschaftliche Dispute geführt zu haben, und dann wollte er auch noch mit der Schwester des Franzosenkaisers beinah ein Schäferstündchen gehabt haben! Kopfschüttelnd stand Enrico auf und ging schlaftrunken zu den Fenstern.
    Leichter Regen und dampfender Nebel hüllten die Berge in einen grauen Schleier. Sie wirkten dadurch umso mysteriöser, als verhüllten sie sich und ihre Geheimnisse absichtlich vor neugierigen Augen. Als Enrico an seine Erlebnisse in Borgo San Pietro dachte, fand er Fabius Lorenz Schreibers Schilderungen nicht mehr ganz so unglaubwürdig. Diese Berge hatten etwas Magisches an sich, etwas, das einen Menschen leicht dazu bringen konnte, Pfade jenseits dessen zu beschreiten, was man allgemein als Realität bezeichnete. Der melodische Klingelton seines Handys schreckte ihn auf. Er ging zur Garderobe und zog den Apparat aus seiner Jackentasche. Nur zögernd nahm er den Anruf in Empfang, als ahnte er, dass er keine erfreulichen Nachrichten hören würde. Er erkannte Dr. Addessis Stimme, noch bevor sie ihren Namen nannte. Ihr Tonfall verriet ihm, dass seine Ahnung sich bewahrheiten würde.
    »Ich rufe wegen Signorina Vida an«, sagte sie so behutsam, als liege allein in diesem Satz schon eine schwerwiegende Mitteilung.
    »Was ist mit Elena?«

    »Ihr Zustand hat sich gegen Morgen verschlechtert, und …«
    »Ja?«, bellte Enrico nervös ins

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