Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engelsfluch

Engelsfluch

Titel: Engelsfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
Vom Netzwerk:
in Uniform trat heraus und ging, die Hände in den Hosentaschen vergraben, zu der kleinen Tabaccheria, die der Polizeistation direkt gegenüberlag. Es war Fulvio Massi, und er machte auf Enrico einen missmutigen Eindruck.

    Obwohl er mit der Pizza und der Cola noch nicht fertig war, legte Enrico fünfzehn Euro auf den Tisch, was reichlich Trinkgeld beinhaltete, und verließ die Pizzeria. Vor dem Tabakladen traf er auf den Commissario, der gerade eine Zigarettenpackung mit dem Daumennagel aufschlitzte. »Eine Frustzigarette, Commissario?«
    Massi sah ihn erstaunt an und schob die Schirmmütze ins Genick. »Eine Zigarette wird kaum reichen, um meinen Frust auszugleichen. Sagen wir, es ist die erste von mehreren Frustpackungen. Sie auch?«
    Er hielt Enrico die Packung hin, aber der hob abwehrend die Hände.
    »Nein, danke, chronischer Nichtraucher.«
    »Ich habe auch mal versucht, es mir abzugewöhnen, aber es nicht geschafft. Übrigens sind die meisten Polizisten, die ich kenne, Raucher. Das wäre doch mal eine medizinischpsychologische Studie wert.« Massi zeigte auf eine Bar in der Nähe. »Wollen wir? Oder sind Sie auch chronischer Nichttrinker?«
    Sie betraten die Bar, und Massi bestellte zwei Gläser deutsches Bier, bevor sie sich an einen der schmalen Tische setzten.
    »Alkohol im Dienst? Ist das erlaubt?«
    »Sie hören sich an wie in einer deutschen Krimiserie im Fernsehen, Signor Schreiber. Heute erlaube ich mir einfach mal was. Wann verliert man schon den ungewöhnlichsten Mörder, den man jemals in der Zelle hatte?« Das Bier kam, und der Commissario hob sein Glas. »Auf Don Umiliani, möge seine Seele jetzt im Himmel sein oder in der Hölle schmoren!«
    Auch Enrico hob sein Glas und trank, schloss sich dem Trinkspruch aber nicht an. Er fand es befremdlich, dass der Commissario einen Toast auf den Mörder seines Schwagers ausbrachte. Vermutlich war es seine Art von Galgenhumor.
    »Dann hat sich der Anruf bestätigt?«, fragte Enrico. »Der Pfarrer hat sich in der Zelle aufgehängt?«
    »Ja, lautlos und mit tödlichem Erfolg.«
    »Hat er irgendetwas hinterlassen?«
    »Nur dumme Gesichter und eine Menge Papierkram, der jetzt erledigt werden muss. Der Kollege, der ihm seinen Gürtel gelassen hat, wird um ein Disziplinarverfahren nicht herumkommen. Wenn es nicht sogar auf eine Anklage wegen fahrlässiger Tötung hinausläuft. Aber es gab keinen Abschiedsbrief oder etwas in der Art.«
    »Eine Anklage gegen Ihren Kollegen? Kann man so etwas nicht polizeiintern regeln?«
    Massi grinste. »Normalerweise schon. Aber nicht, wenn es sich bei dem Toten um einen Priester handelt.«
    »Sie scheinen Umilianis Tod zu bedauern, Commissario.«
    »Sollte ich das etwa nicht? Ein Mensch ist tot.«
    »Immerhin der Mörder Ihres Schwagers. Der Mann, der Ihre Schwester zur Witwe und Ihre Neffen und Nichten zu Halbwaisen gemacht hat.«
    »Tja, seltsam«, seufzte Massi, trank einen großen Schluck Bier und wischte den Schaum aus seinem Oberlippenbart. »Man sollte glauben, niemals in meiner Polizistenkarriere hätte ich einen Mörder so verachtet wie Umiliani. Aber so ist es nicht. Im Gegenteil, noch nie war ich mir in der Beurteilung einer Straftat so unsicher, trotz Umilianis Geständnis.«
    »Glauben Sie, er hat Ihren Schwager gar nicht getötet?«

    »Das ist es nicht. Ich denke schon, dass der Pfarrer Benedetto erschlagen hat. Anders wäre sein Selbstmord kaum zu erklären.
    Aber nach allem, was ich über Umiliani weiß, war er ein herzensguter Mann. Nicht besonders helle und auch nicht ehrgeizig, weshalb es nur zum Dorfpfarrer in den Bergen gereicht hat. Aber nicht jeder Gottesmann muss ein Genie sein mit der Ambition, Bischof oder Kardinal zu werden. Umiliani soll auf seinem Posten sehr zufrieden gewesen sein.«
    »Sie wollen sagen, ein Mord passt nicht zu seinem Charakter.«
    »So wenig wie eine Friedenstaube zu Benito Mussolini.«
    »Und trotzdem halten Sie ihn für den Mörder?«
    »Für den Mörder ja, aber nicht unbedingt für den Schuldigen.«
    »Jetzt verstehe ich Sie, Commissario. Sie denken an einen Hintermann, an einen Tatbestand, den wir Juristen mittelbare Täterschaft nennen.«
    »Exakt. Jemand hat den Pfarrer als Werkzeug benutzt.«
    »Aber das setzt voraus, dass der Tatmittler, das ausführende Werkzeug also, infolge Irrtums, Zwangs oder Schuldunfähigkeit selbst nicht rechtswidrig und schuldhaft handelt«, verfiel Enrico in die Sprache der Juristen. »Umiliani schien mir nach der Tat doch sehr gefasst und im

Weitere Kostenlose Bücher