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Engelskraut

Engelskraut

Titel: Engelskraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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wieder hätte sie gern einen Gefährten gehabt, um mit ihm ihr Leben zu teilen, dem sie abends nach dem Nachhausekommen ein wenig vorjammern konnte, wie hart ihr Tag gewesen war. Stattdessen musste sie sich mit ihrem Kater zufriedengeben. Hin und wieder war ihre Tochter anwesend. Aber das war nicht dasselbe.
    Natürlich hatte es ein paar Affären nach David gegeben. Jedoch war der rechte Funke nicht übergesprungen. Die Einzelheiten wollte sie nicht mit Ludmilla erörtern. Dazu mussten sie ein wenig vertrauter miteinander werden.
    »Vielleicht sollten wir mal zusammen auf die Piste gehen«, schlug Ludmilla augenzwinkernd vor.
    Franca hob die Schultern. »Wenn du meinst.«
    »Und was ist für dich der Sinn des Lebens?« Ludmilla war wieder ernst geworden.
    Franca kam sich vor wie bei einem Verhör. Das irritierte sie, ihr Part war gewöhnlich auf der anderen Seite des Schreibtischs. In der Rolle derjenigen, die die Fragen stellte, fühlte sie sich wesentlich wohler.
    »Was der Sinn des Lebens ist?«, wiederholte sie nachdenklich. »Dass wir ehrlich sind, vor allem uns selbst gegenüber. Dass wir uns Problemen stellen und sie zu meistern versuchen. Dass wir am Ende sagen können, es war gut so, wie es war.«
    Ludmilla hörte ihr aufmerksam zu. »Glaubst du an Schicksal?«
    »Man sollte nicht alles, was einem widerfährt, dem Schicksal zuschreiben.« Franca versuchte, jede von Ludmillas Fragen ehrlich zu beantworten, obwohl ihr die Art und Weise, wie ihre ehemalige Schulkameradin in sie eindrang, ein leichtes Unbehagen bereitete. »Ich glaube schon, dass wir einiges tun können, um unser Leben selbst zu gestalten.«
    Milla nickte versonnen. »Manchmal grüble ich darüber nach, was ich alles hätte anders machen können«, sagte sie mit leiser Stimme. Ihr Blick verdunkelte sich. »Ich hätte sehr gerne eine Schwester gehabt. Weißt du, dass ich meine Mutter angefleht habe, sie solle doch ein Schwesterchen für mich bekommen?«
    Franca hatte sich nie Geschwister gewünscht. Sie hatte sich immer sehr von ihren Eltern geliebt gefühlt. Eine Liebe, die sie andernfalls hätte teilen müssen. Was ihr wahrscheinlich nicht gefallen hätte.
    »Und jetzt zeig ich dir meinen Garten.« Entschlossen stand Milla auf. »Mein Dornröschenreich.« Sie gingen hintereinander her unter einem metallenen Rosenbogen hindurch, der an manchen Stellen Rost aufwies. »In ein paar Wochen, wenn alles richtig blüht, fühlt man sich hier wie im Paradies.«
    Aber schon jetzt bot die Vielfalt der Pflanzen und Büsche ein paradiesisches Bild. Stiefmütterchen, Narzissen und Primeln drängten sich in üppigem Wuchs aneinander. Einige Gemüse- und Salatpflänzchen waren mit Folie abgedeckt. »Wegen der Eisheiligen«, erklärte Milla. »Die können ziemlichen Schaden anrichten.«
    Es gab kaum ausgewiesene Pfade. Milla setzte ihre Schritte vorsichtig und bedacht. Franca versuchte, ihr gleichzutun, allerdings war es fast unmöglich, all den Blättern und Blüten am Boden auszuweichen.
    »Früher hatten wir zusätzlich einen Schrebergarten. Vielleicht erinnerst du dich?« Milla war stehen geblieben und starrte Franca durchdringend an.
    »Noch ein Garten? Dabei ist der hier schon groß genug.«
    Milla antwortete nicht. Sie drehte sich abrupt um und ging weiter voraus. Franca hatte das Gefühl, etwas Falsches gesagt zu haben, ahnte aber nicht, was. Sie folgte Milla.
    »Was ist das?«, fragte Franca und zeigte auf eine hellgrüne Pflanze, die überall zu wuchern schien.
    »Das ist Giersch.« Sie bückte sich, pflückte eines der Blätter und hielt es Franca unter die Nase. Es duftete angenehm würzig. »Du hast vorhin von ihm gekostet. Er war ein Bestandteil der Kräutersoße.«
    »Aha«, sagte Franca. Von einer solchen Pflanze hatte sie noch nie gehört.
    »Den meisten Gartenbesitzern gilt er als lästiges Unkraut, das man so schnell nicht wieder los wird, wenn es sich einmal ausgebreitet hat. Dabei ist es wie viele andere Wildkräuter vielseitig verwendbar und hat außerdem heilende Eigenschaften. Man sagt nicht umsonst: Gegen jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen. Der Giersch wirkt entzündungshemmend und verdauungsanregend, und das sind nur zwei seiner zahlreichen Anwendungsmöglichkeiten«, referierte Milla eifrig. »Meiner Meinung nach hat jede Pflanze ihre Berechtigung. Genau wie jeder Mensch auf dieser Erde seine Berechtigung hat. Die Vielfalt macht es, und gerade die Unscheinbaren besitzen oftmals große Heilkraft und eine Schönheit, die man manchmal

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