Engpass
was? Morgen kriegen Sie das Geld zurück. Verlassen Sie sich drauf.«
Degenwalds Grinsen kann das nicht erschüttern.
Niemand kann Elsa von etwas überzeugen, wovon sie selbst nicht überzeugt ist. Sie hat ein untrügliches Gespür für Zusammenhänge. Degenwald hat einen Blick für Frauen, besonders für attraktive. Elsa ist das nicht verborgen geblieben. Deshalb ist es für sie naheliegend, dass er Silke Maihauser näher gekannt haben dürfte. Eigentlich sieht Degenwald ziemlich gut aus, sinniert sie. Wenn sie 20 Jahre zurückrechnet, sieht sie einen faltenlosen Kriminalisten auf dem Weg nach oben vor sich. Einen Mann, den eine Frau wie Silke Maihauser nicht kaltlässt. Er wird alles versucht haben, sie zu erobern, vor allem, da bekannt war, dass sie Zerstreuung suchte. Elsa weiß noch nicht, wie, aber sie wird wen auch immer so lange verhören und Akten wälzen, bis sie auf ein Indiz stößt. Karl Degenwald weiß mehr, als er zugibt. Dem ist Elsa auf der Spur.
Am Abend, als sie erschöpft und übernächtigt nach Hause kommt, findet sie Anna und Lars, aneinandergekuschelt, auf dem Sofa. Er hat seine Riesenhand auf ihrem Oberschenkel liegen. Eitel Wonne, denkt Elsa und nimmt sich vor, gleich morgen mit Anna zu sprechen. Wenn es was Ernstes ist, reichen Kondome nicht aus. Ob Anna überhaupt schon mit ihm …? Elsa ist zwiegespalten.
Lars, den Elsa erstmals richtig mitkriegt, begrüßt sie wohlerzogen. Mit seinen verwaschenen Jeans und dem übergroßen Sweater, all das auf über 1,90 Meter verteilt, sieht er imposant aus. Elsa versteht, dass Anna sich in ihn verliebt hat.
»Habt ihr alles, was ihr braucht?«, fragt sie.
Anna beeilt sich zu nicken.
»Wenn ihr wollt, lade ich euch zum Essen ein. Nein, keine Sorge, ich komme nicht mit.«
»Super«, freut Anna sich. »Und wohin?«
»Ist euch überlassen. Haben Sie schon den Führerschein, Lars? Sie sind doch 18, nicht wahr?«
»Bin ich, Frau Wegener. Aber ich mach ihn gerade erst. Beim nächsten Mal, wenn ich komme, könnt es klappen, mit dem Fahren, meine ich.«
Annas Gesicht strahlt ohne Ende. Das nächste Mal, hat Lars gesagt. Elsa versteht, was das für Anna bedeutet. Es klingt nach nicht enden wollender Liebe. Nach Zukunft und Behaglichkeit, nach einem Leben zu zweit. Nach Glück.
All das hat Elsa früher auch für sich in Anspruch genommen.
Elsa betritt Degenwalds Büro, ohne anzuklopfen. Sie legt ihm das Geld für das belegte Brötchen auf den Schreibtisch und geht durch den Verbindungsraum hinüber in ihr Büro.
Kaum sitzt sie am Schreibtisch, ruft er an. Sie erwartet eine Standpauke, irgendwas Persönliches.
»Wir haben das Messer«, sagt er ohne Emotion.
Elsa springt auf.
Michael Horn kratzt sich an der Stirn.
»Normales Küchenmesser, wie man es in jedem Haushaltswarengeschäft zu kaufen kriegt.«
»Wieso hat er oder sie es weggeworfen?«, überlegt Elsa laut.
»Mich wundert’s nicht«, brummt Hörnchen genervt. »Er hat’s vorher geschrubbt und geputzt. Das blinkte fast, als es gefunden wurde. Daran ist aber auch nicht die Spur von irgendwas zu entdecken.«
»Wie?«, fragt Elsa nach. »Sie wollen mir weismachen, jemand verletzt oder tötet mal eben Aurelia Bramlitz, zückt dann sein Putzmittel, um die Tatwaffe zu schrubben und danach in den Wald zu werfen? Das ist doch meschugge.«
»Da steckt was dahinter«, spekuliert Degenwald. »Vielleicht wollte er, dass wir die Waffe finden.«
»Und daran verzweifeln, weil wir keinen Millimeter weiterkommen, auch wenn wir die Tatwaffe haben.« Hörnchen kratzt sich erneut am Kopf. »Manchmal ist unser Job echt zum Draufscheißen.« Degenwald verzieht die Stirn. Hörnchen deutet den Gang hinunter.
Elsa ist ans Fenster gegangen und steht grübelnd davor. Mit dem Zeigefinder der rechten Hand spielt sie an ihrer Lippe herum. Ob die Morde an Aurelia Bramlitz und Silke Maihauser zusammenhängen? Es gibt nicht den leisesten Hinweis dafür. Und trotzdem, Elsa muss die ganze Zeit darüber nachdenken. Irgendeine Verbindung muss es geben, da ist sie sich sicher.
Elsa hetzt die Treppen hinunter. Degenwald und Hörnchen hat sie zurückgelassen. Ihr ist plötzlich ein Gedanke gekommen. Sie weiß, dass sie einen Seitenweg beschreiten wird, aber sie kann nicht anders. Degenwald wird noch eine Weile bei Hörnchen zu tun haben. Also hat sie freie Hand.
Sie steigt in ihren neuen Golf und gibt Gas. Der Motor läuft ordentlich. Ein beruhigendes Gefühl, mit einem neuen Modell zu fahren
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