Engpass
dort, wo sie gerade ist, nicht wohlfühlt.
»Nun, ich will es kurz machen.« Elsa gönnt sich keine Pause, kommt zum entscheidenden Punkt. »Über seine Beziehung zu Anong Bramlitz.«
»Beziehung?« Hanne schüttelt unmerklich den Kopf. »Welche Beziehung?«
»Seine intime Beziehung. Die über viele Jahre ging. Eine Liebesbeziehung, Frau Maihauser.«
Hannes zuvor unbeteiligt träger, gelangweilter Ton reißt ab. Sie zieht eine angewiderte Grimasse, als sie weiterspricht. »Halten Sie den Mund! Sie saugen sich schmutzige Lügen aus Ihrem Gehirn, um mir wehzutun«, erwidert sie.
»Frau Maihauser, ich weiß, dass das jetzt nicht angenehm ist. Aber ich spreche die Wahrheit. Rufen Sie Ihren Mann an, dann wird er es bestätigen.«
»Still! Kein weiteres Wort. Sie sind eine dreiste, verlogene Person.« Hanne stellt die Kaffeetasse, die sie schon zum Mund geführt hatte, unangerührt zurück.
Elsa bemüht sich, ruhig zu bleiben. Auch sie stellt ihre Tasse ab und beugt sich über den Glastisch zu ihrer Gesprächspartnerin hinüber.
»Ihr Mann liebte Frau Bramlitz. Und Sie wussten davon. Ob schon länger oder erst seit Kurzem …« Elsa zuckt mit der Schulter. »Das spielt jetzt keine Rolle mehr. Was für mich zählt, ist, dass Sie überhaupt davon wussten. Denn dann haben Sie ein Motiv.«
»Hören Sie auf! Verstehen Sie?« Hanne Maihauser springt auf, die Hände an die Ohren gepresst. Ihr verzerrtes Gesicht blickt Elsa entgegen. Wie eine Fratze. Durchpulst von Angst und Schrecken.
»In Ihrer Küche befand sich das Messer, mit dem Anong Bramlitz verletzt wurde. Ich sage bewusst, verletzt, nicht getötet, Frau Maihauser. Getötet wurde sie auf andere Weise. Können Sie mir darüber etwas erzählen?«
Hanne schüttelt in panischen Bewegungen den Kopf, immer noch die Hände auf den Ohren. Trotz dieses Abwehrmechanismus hört sie die verletzenden Worte, die schreckliche Wahrheit, denn Elsa spricht laut und deutlich. Unterstützt das Gesagte durch eindeutige Gesten und Blicke.
»Seit wann wissen Sie es?« Elsa ist aufgestanden, steht wie eine Gegnerin vor Hanne Maihauser. Getrennt durch wenige Zentimeter. Langsam nimmt sie Hanne die Hände vom Gesicht. Deren Blick hat alle Lebendigkeit verloren. Um ihren Mund spielt ein unnatürliches Zucken. Wie in Zeitlupe geht sie in die Knie, lässt sich in die Couch fallen. Kraftlos, wie erschlagen.
»Ich wusste es seit wenigen Wochen«, gesteht sie bleiern. »Geahnt habe ich es allerdings schon länger.« Sie sieht Elsa fast flehend an, während sie um jedes Wort kämpft. »Mein Mann war immer sehr gut zu mir. Freundlich, großzügig. Ich hänge an ihm. Warum hat er mir das angetan?«
»Sie betrogen, meinen Sie?«
Hanne nickt. »Ich habe ihm alles gegeben. Alles, wozu ich fähig war. Sogar meinen Beruf als Lehrerin habe ich aufgegeben. ›Ich habe Freude daran, dich um mich zu haben‹, sagte er immer zu mir. Da habe ich mit dem Rektor der Schule, in der ich arbeitete, gesprochen und gekündigt.«
»Manchmal ist alles nicht genug«, meint Elsa bitter. Sie legt die Hand auf Hannes Arm. Eine Geste des Verstehens.
»Ich weiß, ich bin keine Schönheit. Das war ich nie. Aurelia war schön. Ihr samtenes Äußeres. Ist Ihnen das aufgefallen?«
Hanne scheint keine Antwort zu erwarten, redet ziellos weiter. »Aurelia war eine Erscheinung, genau wie Silke. Darum habe ich sie beneidet.«
»Frau Maihauser, haben Sie die Geliebte Ihres Mannes getötet?« Noch immer liegt Elsas Hand auf Hannes Unterarm. Wie eine Mahnung.
Hanne presst die Lippen aufeinander, kämpft mit sich und versteckt ihr Gesicht schließlich in ihrem Schoß. Dabei rutscht Elsas Hand ins Ungewisse. Von einem Weinkrampf geschüttelt, sitzt Fred Maihausers Frau da. Unansprechbar.
Elsa wartet ab. Sie kann nichts tun, als dasitzen.
20. Kapitel
Als nach 30 Minuten keine Besserung eintritt, verständigt Elsa einen Arzt. Hanne Maihauser bekommt eine Beruhigungsspritze gesetzt. Ihr Zustand jedoch bleibt unverändert.
»Und Sie gehen besser«, teilt ihr der Allgemeinmediziner in einem Ton mit, der wenig an einen Vorschlag erinnert. Eher an ein Urteil. »Vorläufig ist Frau Maihauser nicht ansprechbar«, attestiert er.
Wenig beeindruckt von der Aussage, versucht Elsa einige abschließende Worte an Maihausers Frau zu richten.
»Ich werde die Spurensicherung ins Haus bitten. Sind Sie damit einverstanden, auch, wenn ich noch keinen Durchsuchungsbefehl habe, Frau Maihauser?«
Elsas Worte gehen ins Leere, verhallen
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