Entflammt
wohl.
Schließlich kam Dray zurück. »Sind die zuverlässig?«
Ich nickte.»Ja, leider.«
Sie atmete hörbar auf und zog den Teststab heraus. Negativ. »Was schulde ich dir?«
»Achtneunundsiebzig«, sagte ich und ging in Richtung Kasse. »Hey! Ich habe eine Idee! Warum kaufst du nicht ein paar Kondome? Dann musst du das hier nicht noch maldurchmachen. Nicht, dass es nicht lustig gewesen wäre.« Sie verengte die Augen. »Nein, danke.«
Gott, war die dämlich. »Die gibt's auch in verschiedenen Farben«, lockte ich.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, wirklich nicht.«
An der Kasse nahm ich die geöffnete Schachtel, tippte den Preis ein und warf sie in den Müll. »Ist an der Straße, die denHighway 27 kreuzt, nicht eine Frauenklinik? Ich bin mal dran vorbeigefahren.«
Dray zuckte mit den Schultern. Sie war ungeheuer erleichtert, wollte es sich aber nicht anmerken lassen. » Weiß nicht.«
Die Kasse sprang auf. Ich nahm ihren Zehner und suchte das Wechselgeld zusammen. »Doch, da ist eine«, plapperte ich munter weiter. »Nur für Frauen. Ich wette, du könntest da für wenig Geld die Pille kriegen. Oder dich mal durchcheckenlassen, ob alles in Ordnung ist. Oder waren deine Kerle alle noch Jungfrau?« Ich lachte, aber ich konnte sehen, wie Dray blass wurde.
»Da kann man zu Fuß hingehen«, sagte ich in gelangweiltem Ton und betrachtete meine Fingernägel. »Wenn die das Zeug da billig abgeben, kann man es sich auch holen, finde ich.«
Dray zuckte wieder mit den Schultern, aber der Gedanke hatte in ihrem Gehirn eindeutig Wurzeln geschlagen. Sie ging zur Tür und drehte sich dort noch einmal um und sagte: »Scharfe Haarfarbe übrigens. Voll verrucht!« Sie lächelte ein wenig, um sicherzugehen, dass ich den Sarkasmus mitbekommen hatte, und ich streckte ihr die Zunge heraus. Als sie draußen amSchaufenster vorbeiging, sah ich sie grinsen.
Und das war sie: meine tägliche gute Tat. Nastasja, Retteder Teenager.
***
Es war bereits dunkel, als ich an diesem Nachmittag zurückkam. Ich stand vor Morgengrauen auf, kam nach Sonnenuntergang nach Hause und sah den Tag nur durch Maclntyres Schaufenster. Das nervte. Bis zum Abendessen blieben mir noch ein paar Minuten und wie durch ein Wunder hatte ich keine Pflichten.
Ich ging den Flur entlang, an einem dunklen Fenster nach dem anderen vorbei, und steuerte mein Zimmer so unbeirrt und gedankenlos an wie unsere Kühe zur Melkzeit den Stall. Automatisch bog ich vor meiner Tür ab und griff nach dem Türknauf. Doch dann hielt ich inne. Wieso? Ich sah in beide Richtungen den Gang hinunter. Niemand da. Aber etwas fühlte sich komisch an, irgendwie falsch. Meine Tür war geschlossen, es konnte also kein Eimer Wasser oben draufstehen. Alles sah normal aus, also sagte mir die Logik, dass alles in Ordnung war ... und doch fühlte es sich irgendwie bedrohlich an, und ich zögerte.
Ich machte auf dem Absatz kehrt und holte River.
22
»Hm.« River sah den Türrahmen an.
Unten war das Abendessen fast fertig. Mein Magen knurrte. Ich kam mir vor wie ein Jammerlappen. »Da ist bestimmt nichts«, sagte ich. »Ich bilde mir das nur ein.«
»Nein«, widersprach River. »Tust du nicht.«
»Aber ich sehe nichts«, sagte ich.
Sie sah mich an. »Aber du hast etwas gespürt. Etwas hat dich veranlasst, nicht hineinzugehen.«
Das hörte sich blöd an. Ich nickte. Mittlerweile hatte ich vor so vielen Dingen Angst (Incy, Reyn, der Dunkelheit, mir selbst, meiner Vergangenheit), dass ich schon überall Gefahren witterte.
River griff in ihre Tasche und holte eine kleine, wunderschöne Silberdose heraus, in deren Deckel eine Jagdszene eingraviert war. Ich hatte den Eindruck, dass sie schon seit Jahrhunderten Silber sammelte. In der Dose war ein feines graugrünes Pulver und ein kleiner Silberlöffel.
»Vergammeltes Kokain?«, riet ich.
Sie schüttelte den Kopf, nahm den kleinen Löffel und füllte ihn mit dem Pulver. Dann murmelte sie ein p aar Worte, hielt den Löffel hoch und pustete kräftig. Das Pulver flog auf die Tür zu und ich wich hastig zurück und japste dabei vor Schreck.
Der ganze Türrahmen war mit Symbolen bedeckt. Das Pulver hatte sie zum Vorschein gebracht und jetzt schimmerten sie in einem leicht silbrigen Glanz. Ein paar davon waren Runen, aber die meisten kannte ich nicht.
»Was ist das?«, fragte ich.
River betrachtete sie. »Sigils, Verwünschungen.« Sie ging in die Hocke und folgte den Zeichen mit dem Finger.
»Sie sind
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