Entscheidung des Schicksals
er sie zur Tür.
„Komm schon. Wir haben dreißig Minuten, um etwas zu finden.“
Es war das Wir, das sie warnte. Das und der entschiedene Griff um ihren Arm, mit dem er sie über die Veranda führte und darauf wartete, dass sie die Tür öffnete. Er würde nicht zulassen, dass sie kniff. Und Kneifen war genau das, was sie tun wollte.
Mrs. Dewhurst machte sie nervös. Bei der Begegnung in der Stadtbücherei war sie nicht unfreundlich gewesen, aber die Frau hatte eindeutig nach altem Reichtum und gesellschaftlichem Status gerochen. Bei der Vorstellung, von einem ganzen Raum solcher Ladys umringt zu sein, wurde Addie mehr als mulmig.
Sie ließ Gabe in der Mitte des kleinen Wohnzimmers stehen und ging zu ihrem Schrank. Sie konnte in fünf Minuten duschen und ihr kurzes Haar in drei föhnen.
Für das Makeup würde sie weitere fünf benötigen. Zehn, wenn es perfekt sein sollte. Dann blieben ihr noch zwölf bis siebzehn Minuten, um sich zu entscheiden – zwischen dem pinkfarbenen Sommerkleid, das sie im vergangenen Jahr im Schlussverkauf erstanden hatte, dem Jeanskleid, dem Trägerkleid aus Cord und dem dunkelblauen Mantelkleid, das sie zur Beerdigung ihres Dads gekauft hatte.
Da es definitiv Herbst war und draußen höchstens zwölf Grad herrschten, wurde das Sommerkleid zur Seite geschoben. Jeans und Cord waren viel zu sportlich.
„Ich habe wirklich nichts“, rief sie und kam gar nicht auf die Idee, in den Schrank ihrer Mutter zu schauen. Nicht, dass darin viel anderes als schwarze Uniformen hingen. Für Rose Löwe existierte so etwas wie ein Privatleben gar nicht.
Als Gabe sie hörte, warf er die BrautmodeZeitschrift zur Seite. Er hatte sie auf dem Couchtisch gefunden, mit einem Haftmemo auf dem Cover. Auf dem stand die Bitte ihrer Mutter, es sich noch einmal zu überlegen.
Es war Jahre her, dass er in dem Cottage gewesen war. Und das auch nur, weil er Tom nirgendwo auf dem Anwesen gefunden hatte. Soweit er sehen konnte, hatte sich nichts verändert. Die Polstermöbel waren noch immer geblümt, und auch die Drucke an der Wand dahinter waren noch die, an die er sich erinnerte.
Aber er war noch nie in Addies Zimmer gewesen.
Nach all den gedämpften Farben im Rest des kleinen Hauses war es, als wäre bei ihr die Sonne aufgegangen.
Verblüfft blieb er in der Tür stehen, als sein Blick auf strahlende Blau und warme Gelbtöne fiel. Es war eine kühne Kombination, die er bei ihr nicht erwartet hätte, doch dann ging ihm auf, dass es die Farben des Himmels waren.
Oder sie versucht, sich mit Wärme zu umgeben, dachte er, während er beobachtete, wie sie in dem winzigen Schrank auf der anderen Seite des mit Kissen bedeckten Betts wühlte.
„Wenn ich das früher gewusst hätte, hätte ich mir etwas gekauft“, rief sie und schien anzunehmen, dass er noch im Wohnzimmer war, während sie Kleiderbügel zur Seite schob.
„Lass mal sehen, was du hast.“
Sie ließ die Hände sinken und drehte sich verlegen um. „Du willst dir meine Sachen anschauen?“
„Nur die Kleider.“
Nach kurzem Zögern nahm sie das Pinkfarbene heraus.
Er schüttelte den Kopf. „Das ist für den Sommer.“
Sie hängte es zurück und zeigte ihm die aus Denim und Cord.
„Zu sportlich.“
Genau das hatte sie auch gedacht. Jetzt blieb tatsächlich nur noch das Dunkelblaue.
„Daraus lässt sich was machen“, behauptete er. „Was hast du noch?“
„Nichts.“
Er sah ihr in die Augen. „Keine Frau hat nur vier Kleider.“
„Ich schon. Ich trage meistens Hosen“, erklärte sie und fragte sich, warum er glaubte, dass ihre Garderobe viel mehr als das umfasste. Ihr Privatleben bestand aus einem gelegentlichen Kinobesuch mit Ina, einem Abend mit den wenigen HighSchoolFreundinnen, die noch hier lebten, und – bis vor kurzem – einem Essen oder Basketballspiel mit Scott. Mehr als gute Jeans und ein Sweatshirt oder einen Pullover brauchte sie dafür nicht.
„Es muss noch etwas geben.“
Frustriert drehte sie sich wieder zum Schrank um und griff ganz nach hinten. „Ich habe das hier“, sagte sie, um ihm zu beweisen, dass sie nichts für einen Abend bei Mrs. WrightCunningham besaß. „Aber es kommt absolut nicht in Frage.“
Gabe zog die Augenbrauen hoch. Stimmt, dachte er. Soweit er erkennen konnte, hatte das Teil aus schwarzem seidigen Stoff zwar dünne Träger, aber keinen Rücken.
„Darf ich fragen, wo du das getragen hast?“
„Nirgendwo. Eine Freundin hat mich überredet, es zu kaufen – für den Fall, dass ich
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