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Entschuldigen Sie Meine Stoerung

Entschuldigen Sie Meine Stoerung

Titel: Entschuldigen Sie Meine Stoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Uwe Fitz
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irrtümlicherweise eine gute Meinung von Ihnen habe. Stört es Sie, wenn ich sie abschnüffle? Von oben nach unten und von rechts nach links?«
    »Doch. Ein bisschen.«
    »Dann werde ich zur Sicherheit behaupten, Sie stinken wie ein Laster Gülle. Lieber fälschlicherweise einen schlechten Eindruck haben als einen guten, sage ich immer.«
    » OK .«
    »Aber Sie müssen sich keine Sorgen machen, dass ich zu viel darüber spreche, wie Sie riechen. Ich bin nämlich unheimlich wortkarg.«
    Er taucht wieder in die Speisekarte ab.
    Ich blicke ihn noch eine Zeit erstaunt an und kann mir auch nicht vorstellen, dass sich das in absehbarer Zeit legt. Aber war es das jetzt? Hat er sich beruhigt? Es ist ja nie einfach, neu irgendwo hinzuzukommen, auch nicht an einen Tisch im Speisewagen, und der eine oder andere neigt da zu Übersprungshandlungen, die sich auch in vermehrtem Geschwätz äußern können. Vielleicht kehrt jetzt wieder Ruhe in meine Fahrt ein? Bestimmt ist der Herr tatsächlich wortkarg und war bis eben nur ein bisschen nervös. Wobei ich nicht sagen kann, ob Wortkarge ihre Komplexe ausgerechnet durch einen Redeschwall kompensieren. Ich hätte da eher auf komplettes Verstummen getippt. Aber ich bin kein Psychologe.
    Zögerlich schlage ich mein Buch auf, lasse mein Gegenüber aber nicht aus den Augen. Wie eine Bombe, die ich gerade entschärft habe, bei der aber noch ein Restrisiko besteht und von der ich mich deshalb nur langsam entferne, mich nur allmählich in Sicherheit wiege. Er liest immer noch in der Speisekarte. Und ergreift wieder das Wort. Resigniert lasse ich das Buch sinken.
    »Gestatten Sie übrigens, dass ich meinen Hut aufbehalte? Sie müssen wissen: Ich trage einen Scheitel. Und ich will nicht, dass die anderen Menschen mir auf die Kopfhaut schauen müssen.«
    »Von mir aus gern.«
    »Mir ist Nacktheit nämlich peinlich, müssen Sie wissen.«
    »Aha«, antworte ich. Es könnte einen Hauch verdattert wirken.
    »Wissen Sie, Haare haben doch einen Sinn. Sie sollen etwas bedecken. Ein Scheitel aber legt etwas frei. Kopfhaut. Ein Stück Nacktheit.«
    »Das muss jeder für sich entscheiden«, sage ich, nur um irgendetwas zu sagen, auch wenn Sprachlosigkeit angebracht sein sollte.
    »Ein Scheitel ist Porno«, ereifert er sich. »Scheußlich, wie die Sitten verkommen sind. In Zügen oder in Flugzeugen muss man seinem Vordermann oft stundenlang auf den hinteren Ausläufer seines Scheitels starren. Ich vertrage Bahnfahren eigentlich ganz gut, aber wenn ich jemandem auf den Scheitel gucken muss, wird mir jedes Mal schlecht. Ich habe bereits jemanden vollgekotzt, nachdem ich stundenlang auf seinen verschuppten Haaransatz glotzen musste. Überall so kleine weiße Blättchen.« Er würgt.
    »Und da haben Sie ihn vollgekotzt?«, frage ich ihn erstaunt.
    »Ich habe ehrlich gesagt nicht eingesehen, woandershin zu kotzen. Schließlich war er schuld.«
    Er blickt wieder in die Speisekarte, um sie sofort wieder sinken zu lassen und weiterzureden: »Eine Frage hätte ich noch, bevor wir uns anschweigen: Haben Sie noch eine Frage, bevor wir uns anschweigen?«
    Ich muss gar nicht lange nachdenken.
    »Wenn Sie mich so fragen … Eine Frage hätte ich tatsächlich«, nehme ich die Gelegenheit dankbar wahr.
    »›Spucken Sie’s aus‹, wie der Engländer sagt.«
    »Sie sind genau so, wie ich gern wäre. Sagen Sie: Gibt es Sie wirklich? Sie erweisen sich am Ende unserer Reise nicht als jemand, den ich mir nur einbilde? So eine Art Alter Ego, das ich nur zu lange unterdrückt habe? Wie Tyler Durden in Fight Club ?«
    Er blickt mich fassungslos an. Seine Augen verfinstern sich.
    »Haben Sie mieses Schwein mir etwa gerade das Ende von Fight Club verraten?«
    Mir wird heiß vor Erschrecken.
    »Aber … der Film ist doch schon so alt«, stammle ich. »Ich wusste doch nicht, dass Sie den noch nicht kennen.«
    »Was? Der Film geht auch so aus? Ich meinte das Buch, Sie Monster. Verraten Sie allen Gesprächspartnern das Ende von Filmen, die Sie schon gesehen haben? Ich weiß schon, warum ich normalerweise nicht mit Menschen spreche.«
    »Ich …«
    »Wer garantiert mir denn, dass es Sie überhaupt gibt? Hm? Vielleicht sind ja vielmehr Sie das Produkt meines Unterbewusstseins. Und nicht umgekehrt.«
    »Wenn Sie Zweifel daran haben, dass ich real bin: Ich kann Ihnen gern meinen Ausweis zeigen. Dann will ich aber auch Ihren sehen.«
    »Zeigen Sie her. Aber nicht dass Sie mir statt des Ausweises einen Zettel zeigen, auf dem steht, wie

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