ENTSEELT
gleicher Höhe, und da es keine erwähnenswerte Dünung gab, war es ein Kinderspiel, von einem Schiff zum anderen zu klettern. Trotzdem stand die Crew des weißen Schiffes, alle acht, reglos an der Reling, während der Kapitän und sein amerikanischer Gefährte nur blasse Figuren im Schatten der Markise auf dem Vorderdeck blieben. Die Lichter des Ruderhauses, die weiß durch den Nebel schimmerten, verliehen ihren vagen Silhouetten silbrige Auren.
Themelis und seine Leute an der Reling der Samothraki wurden unruhig. Irgendwas war hier sehr seltsam, und lag nicht nur an diesem unheimlichen, unnatürlichen Nebel. »Dieser Arsch von Lazarides geht mir auf den Sack«, fluchte Themelis’ erster Maat leise vor sich hin.
Themelis schnaubte verächtlich. »Das kannst du wohl laut sagen, Christos. Aber wenn du ihm deine Eier nicht gerade auf einem Silbertablett anbietest, wird wohl alles in Ordnung gehen.«
Der andere ignorierte die Spitze. »Der Nebel klebt an ihm! Man könnte fast meinen, der kommt von da rüber!«
Lazarides und Armstrong hatten sich zu dem Durchgang in der Reling begeben. Sie standen da, nach vorn gelehnt, und schienen die Samothraki zu begutachten. Themelis dachte: Was die Größe angeht, tun sich die beiden nichts. Aber in ihrer Haltung und dem Benehmen sind sie grundverschieden.
Der Amerikaner ging ein wenig gebückt wie ein Affe und trug eine schwarze Augenklappe über dem rechten Auge. In der rechten Hand hielt er einen eleganten schwarzen Aktenkoffer, der hoffentlich mit Geldscheinen gefüllt war. Und Lazarides neben ihm stand stocksteif in Nacht und Nebel und trug sogar zu dieser Zeit noch seine dunkle Sonnenbrille.
Aber diese Stille? Warum waren sie so still? Und worauf warteten sie?
»Da wären wir, Jianni!« Themelis schüttelte die düstere Stimmung ab, die sich so plötzlich auf ihn gelegt hatte, öffnete die Arme einladend, sah sich um und nickte zufrieden. »Hier sind wir doch wirklich ungestört, was meinst du? Mitten in einem verdammten Nebel! Also ... willkommen an Bord der Samothraki .«
Jetzt lächelte Lazarides endlich. »Du bittest mich an Bord?«
»Häh?« Themelis war irritiert. »Na sicher doch! Wie sollen wir denn sonst unser Geschäft abschließen?«
»Ja, wie?« Der andere nickte grimmig. Als er das Schiff wechselte, nahm er seine Brille ab. Armstrong folgte ihm, und auch alle seine Männer kletterten über die Reling. Die Crew der Samothraki wich unsicher vor ihnen zurück. Sie waren sich jetzt sicher, dass hier etwas verdammt faul war. Denn die Besatzungsmitglieder der Lazarus bewegten sich einer wie der andere wie Zombies mit flammenden Augen, und ihr Meister – einen Menschen wie ihn hatten sie noch nie gesehen!
Pavlos Themelis, der die Veränderung in dem Gesicht des Mannes sah, den er als Lazarides kannte, traute seinen Augen nicht. Auch sein erster Maat sah das und versuchte verzweifelt, an die Pistole in seinem Schulterholster zu gelangen.
Zu spät, denn schon thronte Armstrong über ihm. Der Amerikaner schlug mit dem Aktenkoffer die Waffe zur Seite, noch bevor sie ganz gezogen war, und ergriff dann die Waffenhand des Mannes und drehte sie so, dass die Mündung direkt auf den Kopf ihres Besitzers zeigte.
Christos hatte nicht die geringste Chance. Armstrong hielt ihm die Waffe gegen das Ohr und sagte: »Paff!« Und sein Opfer fiel angesichts des rot glühenden Auges des Amerikaners und der gespaltenen, tiefroten Zunge, die in seinem Schlund züngelte, schlicht in Ohnmacht.
»Der Kerl«, sagte Janos fast beiläufig zu Themelis, »war ein Trottel!« Das war das Zeichen für Armstrong abzudrücken.
Noch während sein Schädel spritzend auseinanderflog, wurde Christos wie eine schlaffe Puppe über Bord gestoßen. Er wurde zwischen den beiden Schiffswänden zerquetscht, bevor er weiter nach unten rutschte und in dem Nebel verschwand, der über dem Wasser lag. Das Loch, das er in die weiße Masse riss, hatte sich schon wieder gefüllt, ehe das Echo des Schusses, der ihn getötet hatte, verhallte.
»Heilige Mutter Go...!«, keuchte Themelis. Als Janos näher kam, wich er vor ihm zurück. Ungläubig musterte er den zu langen Kopf und die Kiefer, die Zähne in diesem grauenhaften Maul, das fürchterliche rote Leuchten in diesen schrecklichen Augen.
»J...Jianni?« Schließlich fand der Grieche seine Stimme wieder. »Jianni, ich ...«
»Zeig mir das Kokain!« Janos’ Griff um seine Schulter war eisenhart, seine Finger krallten sich tief in das Fleisch. »Ich will
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