Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
Vom Netzwerk:
einen besorgten Blick zu. »Lady Eona hat euch beide geheilt.«
    Wir sahen uns an. Die Logik in diesem Gedankengang ließ sich nicht leugnen.
    »Der Austausch von Hua«, stellte ich fest. »Meine Macht ist durch dich geflossen, Ryko. Und im Palast ist sie durch Ido geflossen.«
    Ryko holte tief Luft. »Dann ist das der Preis für mein Leben? Dass mir der freie Wille entrissen wurde? Dass ich zu Handlungen gezwungen bin, die wider meine Natur sind?«
    »Das wusste ich nicht!«
    Dela mischte sich ein. » Ich habe Eona angefleht, dich zu heilen.«
    »Dann habt Ihr mir einen Bärendienst erwiesen, Mylady«, sagte Ryko schroff. »Habe ich für diese Sache nicht schon genug gegeben? Jetzt habe ich nicht einmal mehr einen freien Willen.«
    »Aber ich konnte nicht zulassen, dass du stirbst«, erwiderte Dela gepresst. Wieder streckte sie die Hand nach ihm aus, doch er wich zurück.
    Ich ergriff Delas Rechte. Das war nicht der richtige Zeitpunkt, um ihre Gefühle kundzutun. »Vielleicht gibt es einen Weg, die Verbindung zu kappen«, sagte ich. »In dem Buch.«
    »Ich werde danach suchen«, versprach sie.
    Ryko funkelte mich zornig an. »Und wenn es keinen Weg gibt – bin ich dann für immer Euer Geschöpf?«
    »Ich werde die Verbindung nicht noch einmal benutzen«, sagte ich. »Ich schwöre es.«
    »Schön und gut, aber Ihr seid erwiesenermaßen eine Lügnerin und ich kann Euch nicht aufhalten.«
    »Ryko!«, protestierte Dela.
    Er warf ihr einen wilden Blick zu und ging ans andere Ende der Lichtung.
    »Er meint es nicht so«, sagte Dela und sah ihm nach. Sie drückte kurz meine Hand und ließ sie dann los. »Ich mache mich jetzt auf die Suche.«
    Sie zog das Tagebuch aus ihrer Jacke und ging zu einem kleiner werdenden Fleck Spätnachmittagssonne.
    Langsam öffnete ich die andere Hand. Das raue getrocknete Brot hatte in meiner Handfläche tiefe Kerben hinterlassen. Ich konnte Ryko keinen Vorwurf machen, dass er wütend war. Ich war genauso zornig gewesen, als Lord Ido mir meinen Willen entrissen hatte. Und falls Dela richtig lag, besaß ich nun eine Art dauernde Verbindung zu Ido, die daher kam, dass ich seinen verkümmerten Herzpunkt geheilt hatte.
    Mich schauderte. Ich wollte keine Macht über Ido. Ich wollte nicht das Geringste mit ihm zu tun haben. Und doch spannte sich sein letzter Schrei noch zwischen uns wie der Ankerfaden eines Spinnennetzes.
    »Mylady«, sagte Vida und unterbrach meine düsteren Gedanken. Sie hielt einen abgenutzten Teppichläufer in den Händen. »Etwas, worauf Ihr schlafen könnt.«
    Ich murmelte ein Dankeschön, nahm die dünne Rolle und breitete sie hinter mir aus. Bei jeder Bewegung meines Hinterns schmerzten meine Hüften. Die Müdigkeit zerrte bei jeder Bewegung an mir. Es war sogar zu anstrengend, das trockene Brot zu kauen. Ich begnügte mich mit einer weiteren Frucht vom Dörrobstzopf und ließ mich sachte auf dem Teppich nieder. Einen Moment lang spürte ich den harten Boden und den Geruch nach Erde und nach welken Blättern, dann ergriff der Schlaf von mir Besitz.
    Das Bedürfnis, mich zu erleichtern, weckte mich. Der Halbmond stand hoch am Himmel und umgab die Umrisse der Baumkronen mit silbrigem Licht. Die Vögel waren verstummt und stattdessen drangen das Kreischen nächtlicher Jäger und das ohrenbetäubende Sirren von Insekten durch die Dunkelheit. Durch die halb geöffneten Lider sah ich schattenhaft die Umrisse der zusammengerollt schlafenden Leute und die aufmerksame Gestalt eines Wächters. Vermutlich war es kurz vor Mitternacht – ich konnte noch mindestens vier, fünf Stunden kostbaren Schlaf genießen. Wenn ich mich nicht rührte, würde ich vielleicht gleich wieder einschlummern.
    Doch es sollte nicht sein. Mühsam erhob ich mich auf die Knie und zuckte zusammen vor Schmerz. Jeder Muskel wehrte sich. Mit leisem Stöhnen richtete ich mich auf. Der Wächter sah sich um, als ich zum Waldrand humpelte. Es war Yuso, und das Mondlicht gab seinem Gesicht die kräftigen Linien eines Holzschnitts. Hinter ihm saß eine weitere Gestalt und starrte in den Nachthimmel. Nach den geraden Schultern und dem bleichen, rasierten Kopf zu schließen, musste es der Kaiser sein. Vielleicht waren seine Geister zurückgekehrt.
    Mit Muskelkater und in einem langen Rock Wasser zu lassen, ist eine anstrengende Sache. Ich brauchte so lange hinter meinem Baum, dass ich sicher war, Yuso würde kommen, um nach mir zu suchen. Tatsächlich warteten er und der Kaiser in der Nähe, als ich wieder auf die

Weitere Kostenlose Bücher