Erbschuld: Psychothriller (German Edition)
Sicherheit alles andere als scheißegal. Er würde keine Minute lockerlassen. Uri war wie ein Rottweiler auf der Suche nach seinem Knochen. Anton zuliebe würde er die Wahrheit ans Licht bringen. Als Erstes würde er nach ihr suchen. Gewarnt war er ja schon. Er wusste von der Sache mit dem Pass und ihrer Rolle dabei. Er würde mit zwei seiner brutalen Kerle aufkreuzen und sie zum Reden bringen, das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Er würde auch Sascha zum Reden bringen. Und es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass er Sascha mitnehmen würde. Er hatte einmal zu ihr gesagt, die Kinder seines Bruders seien seine Kinder. Seit Sascha auf der Welt war, hatte sie oft an diese Bemerkung denken müssen. Jetzt erfüllte sie der Gedanke daran mit Panik. Es gab keinen Ausweg, das war ihr nun klar. Sie konnte sich drehen und wenden, wie sie wollte, sie und Sascha würden getrennt werden.
»Worüber denkst du nach?«, fragte Madeleine leise.
»Nichts.«
»Wo ist Sascha?«
»In einem Bed & Breakfast mit Charlene.«
»Und was hast du den beiden erzählt?«
Rachel sah sie kalt an. »Kommt es darauf an? Ich habe Charlene vorgeschwindelt, ich möchte allein sein, um es mit einem Kerl zu treiben. Ich habe mir nicht die Mühe gemacht, sie einzuweihen, dass ich jemanden umgebracht habe, den meine Mutter und ich gleich in einen Graben kippen.«
»Warum bist du ständig so bissig, Rachel? Ich könnte ganz gut ohne deinen Sarkasmus leben.«
Madeleine hatte natürlich recht. Sie führte sich auf wie ein Arsch. Immerhin versuchte Madeleine ihr zu helfen. »Nun siehst du, warum du froh sein kannst, mich nicht als Tochter zu haben«, sagte sie grimmig.
»Wie steht es mit einem Pass? Hatte er einen dabei?«
»Ja. Einen Schweizer Pass mit falschem Namen. Auch den habe ich verbrannt. Aber es könnte noch weitere Pässe geben, irgendwo hat er auch einen russischen oder ukrainischen, da bin ich mir ziemlich sicher.«
Madeleine nippte an ihrem Glas. »Das eigentliche Problem sind die Zähne und die DNA.«
Rachel brauste auf. »Na und? Was kann ich daran ändern? Von seinen Zähnen ist übrigens kein einziger mehr vorhanden, das kann ich dir versichern.«
Madeleine zuckte zusammen. Rachel stellte fest, dass Madeleines Reaktion ihr eine perverse Befriedigung gab. Die Frau hatte ihre Tochter finden wollen! Haha! Das süße Mädchen, das sie fröhlich weggegeben hatte, war zur narbengesichtigen Prostituierten geworden, zur Mörderin, die unberechenbar, gefährlich und zu allem fähig war, wenn sie provoziert wurde.
»Gehen wir zu ihm. Du musst ihn sehen. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir ihn in den Kofferraum deines Autos hieven.«
Mit einem kräftigen Schluck leerte Madeleine ihr Glas. Rachel musste beinahe lachen, und sie spürte, wie sie ganz gegen ihren Willen ein wenig weicher wurde.
Sie gingen die Treppe hinunter.
»Ich war seit gestern nicht mehr in der Garage, ich habe keine Ahnung, was uns erwartet.« Rachel hätte sich verfluchen können, dass ihre Stimme deutlich vernehmbar zitterte. »Es ist ziemlich warm in der Garage … Dort hängt der Heißwasserboiler.«
»Aber es ist doch erst einen Tag her. Es ist gestern Abend passiert, Rachel, ja? Nicht vorgestern oder vorvorgestern?«
Rachel starrte sie an. Wieso war Madeleine hinter die Wahrheit gekommen? »Kann sein, dass es vorgestern war.« Sie wandte sich brüsk ab. »Was stellst du dir eigentlich vor? Ich habe die ganze Nacht damit verbracht, das Haus zu putzen. Gestern war ich nicht in der Lage, eine Entscheidung zu fällen.«
Madeleine fluchte leise, und Rachel beschrieb ihr eilig, wie sie Anton über den Fußboden und die Treppe nach unten gezerrt hatte. Zunächst gab es wieder Schwierigkeiten mit dem Garagenschloss. Endlich drehte sich der Schlüssel. Sie stiegen drei Stufen hinunter, und Rachel schob die Tür zu. Es war dunkel, nur ein Streifen Abendlicht drang durch einen Spalt über dem Rolltor. Vor das Seitenfenster hatte Rachel Pappe geklebt. Als sie den Schalter anknipste, lag der überfüllte Raum im grellen Neonlicht.
Einen Augenblick lang mussten sich ihre Augen an die Helligkeit gewöhnen. Ein kaum wahrnehmbarer Geruch lag in der Luft, wahrscheinlich von Feuchtigkeit und Schmutz verursacht. Sie hatte ganze Arbeit geleistet, als sie die Leiche verpackte. Sie ging voran und hob Saschas alte, an die Wand gelehnte Matratze an. Da lag es, das lange Bündel, um das einige Schmeißfliegen summten.
»Komm her«, befahl Rachel. Madeleine machte
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