ich mehrere Fotoalben im Bücherregal, und plötzlich hatte ich diese Vision, dass sie von den Regalen springen, ihre Seiten sich öffnen würden, und die Fotos würden im Zimmer herumfliegen wie ein Schwarm Vögel. Hunderte würden herumsegeln und sich in meinen Haaren verfangen, und alle würden zahllose Aidan-und-Janie-Ereignisse dokumentieren: Aidan und Janie bei ihrem Abschlussball; Aidan und Janie bei ihrem Schulabschluss; Aidan und Janie auf Cape Cod; Aidan und Janie bei Aidans dreißigstem Geburtstag; Aidan und Janie bei der Überraschungspahdy, die Aidan bei Janies Beförderung gegeben hatte; Aidan und Janie bei ihrem Klassentreffen; Aidan und Janie als Sieger bei einem Kegelturnier; Aidan und Janie in den Ferien auf Jamaika, beim Krabbenpulen auf Cape Cod, bei einer Abschiedsfete für Aidan, bevor er nach New York zog, in Bar Hahbor, wo sie das Haus rosa anmalen …
Auf dem Rückflug waren wir sehr still. Der Besuch war ein schrecklicher Irrtum gewesen, ein lohnenswertes Risiko, aber es hatte sich nicht rentiert. Aidan war ein richtig netter Kerl, aber er hatte zu viele Lasten zu tragen, es gab zu viel Unerledigtes. Er gehörte nach Boston und zu Janie, und ich musste einsehen, dass er, was auch geschah, immer wieder zu ihr zurückkehren würde und dass sie ihn immer wieder aufnehmen würde. Sie hatten zu viel gemeinsame Geschichte, zu vieles, was sie verband.
Er war vor Anspannung ganz grau im Gesicht, und im Taxi vom Flughafen hielt er meine Hand so fest, dass mir die Finger wehtaten. Er überlegte wohl, wie er mir sagen sollte, dass es vorbei war, aber das war gar nicht nötig, ich wusste ohnehin, was los war.
Das Taxi hielt vor meiner Wohnung, und ich küsste Aidan auf die Wange und sagte: »Mach’s gut.« Als ich schon ausgestiegen war, rief er mir nach: »Anna?«
»Ja?«
»Anna, willst du mich heiraten?«
Ich starrte ihn einen langen, langen Moment an und sagte dann: »Sei doch mal realistisch«, und schlug die Tür zu.
ZWANZIG
An:
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[email protected] Thema: Das wird dir gefallen!
Als ich am zweiten Tag zur Arbeit kam, traf ich Tabitha, verantwortlich für Bergdorf Baby, die sich meine Narbe ansah und sagte: He, dieser Look ist doch vorbei! Dann begriff sie, dass die Narbe echt ist, und schreckte angewidert zurück. Sie zog den Kopf so weit ein, dass er praktisch zwischen den Schulterblättern verschwand.
Dann ist sie zur Toilette gegangen. Wahrscheinlich hat sie sich übergeben.
Ich hoffe, es geht dir gut, ich liebe dich.
Dein Mädel Anna
An:
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[email protected] Thema: Und das auch!
Die Leute im Büro glauben, ich sei in Arizona gewesen. Als ich mit Teenie vom Lunch zurückkam, traf ich im Aufzug eins der EarthSource-Mädchen, sie sagte, sie habe mich eine Weile nicht gesehen, und ich sagte, ich sei verreist gewesen.
Ich dachte, alle im Büro wüssten, was passiert ist, aber vermutlich bewegen sich die EarthSource-Mädchen in anderen Sphären. Es muss an den Mungobohnen liegen, die sie essen. Sie fragte, wie lange ich fort gewesen sei, und ich sagte zwei Monate. Dann sah sie mich viel sagend an und bewegte stumm die Lippen. Ich lehnte mich etwas näher an ihr grob gewebtes Sackkleid und sagte: Tut mir Leid, was war das? Sie sagte es noch einmal, und diesmal verstand ich sie, sie sagte: Immer einen Tag nach dem anderen.
Ehm, gut …
Ich hoffe, es geht dir gut, ich denke die ganze Zeit an dich, ich liebe dich.
Deine Anna
An:
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[email protected] Thema: Die Donnerstagsklamotten
Ein Doris-Day-Hemd aus gelbem Popelin über schwarzen Leggings mit einem Muster aus spitzen blauen Herzen, eine Jeansjacke mit abgeschnittenen Ärmeln und meine blauen Pumps, von denen du mal gesagt hast, es seien die spitzesten Schuhe aller Zeiten, so spitz, dass die letzten zehn Zentimeter Spitze unsichtbar seien. Heute ohne Hut – habe ich mir gegönnt.
Ich liebe dich.
Dein Mädel Anna
Ich schrieb zwei bis drei Mails am Tag und bemühte mich um einen leichten, luftigen Ton. Ich wollte ihm keine Schuldgefühle machen, indem ich sagte, wie verzweifelt ich darauf wartete, von ihm zu hören. Ich fand es besser, das Gespräch in Gang zu halten, damit er Kontakt aufnehmen konnte, wenn er wollte. Außerdem las ich täglich sein Horoskop, weil ich wissen wollte, wie seine Gefühlslage war. Bei Stars Online hieß es:
»Lassen Sie sich nicht von dem Bedürfnis anderer nach einem Abschluss zu