Erfolg
langsamohne Schirm in dickem Regen mit ihrem zu zierlichen Schritt über die Straße trippelte, oder wie sie einem gelöst und doch sonderbar schwer beim Tanzen im Arm hing. Aber das Bild drängte immer vor, es war nichts von ihr da als das Bild.
Das Licht war aus, es war dumpfe Luft in der Zelle, die Hände waren ihm heiß, die Bettdecke kratzte auf unangenehme Art. Er zerrte den Kragen des Schlafanzugs höher, die Hose tiefer. Atmete beschwerlich. Schloß die Augen, sah farbige Wirbel, öffnete sie wieder, lag in drückender Nacht.
Er war zu weich, zu wenig energisch, das war der Grund allen Übels. Atavistische Vorstellungen bedrängten ihn jetzt in der Nacht. Dies war Strafe und Heimsuchung. Er ließ sich gehen, er machte es sich zu bequem. Versäumte die Pflichten, die seine Begabung ihm auflegte. Es ging ihm zu gut, das war es. Es war ihm alles zu leicht gemacht worden. Es fehlte ihm selten an Geld, er sah gut aus, die Frauen verwöhnten ihn, seine Begabung war gefällig, sein Stil schmiegte sich leicht und eingängig den Kunstdingen an, die er näherbringen wollte. Seine schärferen, unbequemeren Erkenntnisse hatte er zurückgehalten. Es stand zwar kein Wort in seinen Büchern, das er nicht mit gutem Gewissen hätte vertreten können, aber manches stand nicht darin, was zu hören wenig beliebt, was zu verkünden unbequem war. Es gab Erkenntnisse, die er ahnte, aber um die er sich herumdrückte. Vor sich selber, und wie erst vor anderen. Er hatte einen einzigen wirklichen Freund, Kaspar Pröckl, Ingenieur in den Bayrischen Kraftfahrzeugwerken, einen finstern, etwas verwahrlosten Menschen mit starken politischen und künstlerischen Neigungen, voll von Fanatismus und heftigem Willen. Kaspar Pröckl setzte ihm oft zu wegen seiner inneren Trägheit, und manchmal vor den unbequemen Augen dieses jungen Menschen, der übrigens sehr an ihm hing, kam sich Martin Krüger wie ein Hochstapler vor.
Aber hatte er sich nicht zu seiner Sache bekannt? Hatte er nicht Zeugnis abgelegt? Wenn er hier saß, war es nicht deshalb, weil er Zeugnis abgelegt hatte, weil er zu den Bildern gestanden war, die er für richtig hielt?
Gut. Aber wie war das mit »Josef und seine Brüder«? Es war eine verwickelte Sache gewesen, und zu Anfang hatte er sich auch richtig gehalten. Man hatte ihm eine Photographie des Bildes geschickt, viel Geheimnis und Gewese gemacht. Der Maler sei krank, hieß es, menschenscheu, schwierig zu behandeln. Mit Mühe nur habe man erreicht, daß er das Bild nicht wieder vernichtete. Die photographische Aufnahme sei ohne sein Wissen erfolgt, sicher gegen seinen Willen. Der Maler, im Wahngefühl seines Unvermögens und der Sinnlosigkeit jeder Kunstbetätigung in dieser Epoche, verkrieche sich in eine läppische Brotarbeit als subalterner technischer Beamter. Man verspreche sich viel von einer Intervention Martin Krügers, dessen Bücher der Maler kenne.
Er hatte sich auch, der Mann Krüger, erfüllt von dem Bild, mit wildem Elan hinter die Aufgabe hergemacht. Den Maler allerdings hatte er nicht zu Gesicht bekommen. Aber das Bild hatte er gesichert. Er hatte, seine Stellung ernsthaft gefährdend, den Minister vor die Frage gestellt, ihn zu entlassen oder das Bild zu kaufen. Hatte dann, als man triumphierend auf den zu hohen Preis hinweisen konnte, den Reindl, den Autofabrikanten, so widerwärtig der ihm war, zur Herausgabe einer großen Summe mühevoll überredet. Bis dahin konnte er vor jeder Instanz seinen Mann stellen. Allein wie weiter? Über dieses Spätere war er immer gern hinweggeglitten, hatte er sich mit etwas nebelhaften Vorstellungen abgefunden. Jetzt, in der Nacht der Zelle 134, schwitzend und bedrängt, biß er die Zähne zusammen, rekonstruierte sich die Geschichte, zwang sich, vor den Zusammenhängen die Augen nicht zu schließen.
Es war dies gewesen. Als das Bild einmal in der Galerie hing, war er erschlafft. Während er für mittelmäßig frühe Spanier suggestive Sätze gefunden hatte, waren ihm für »Josef und seine Brüder« die rechten Worte niemals gekommen. Er hatte sich begnügt mit allgemeinem Gesabber. Es wäre sein Amt gewesen, für dieses Werk, das er erfaßt hatte, auch andere zu erfassen, es in Worten nochmals zu malen, daß essichtbar werde. Aber Konzentration war schmerzhaft, das Bild »Josef und seine Brüder« in Worte umzugestalten, kostete Nerven, er war zu träg. War das schon üble Schlamperei gewesen: das für immer Unverzeihliche geschah dann später. Als der Minister
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