Erlöst mich: Thriller (German Edition)
eine Chance gäbe. Sie wiederum versuchte mich weiter davon zu überzeugen, England biete die besten
Möglichkeiten, eine sichere Zukunft für sie und ihr ungeborenes Kind.
Schließlich schlossen wir einen prekären Waffenstillstand, keiner von uns wollte durch ewige Streitereien unsere Beziehung zerstören, ehe sie eine Chance gehabt hatte, sich zu entwickeln. Wir lebten weiter getrennt, sie in Bangkok, ich auf der Insel. Doch dann verkündete Emma, ihre Eltern würden sie besuchen kommen, und zusammen wollten sie für ein paar Urlaubstage nach Ko Lanta kommen.
Schweren Herzens und mit einem unguten Gefühl im Magen holte ich sie zwei Wochen später von der Fähre ab.
Ihr Vater konnte mich spontan nicht leiden. Er war ein klein gewachsener, spindeldürrer Endsechziger und sah aus, als käme er gerade vom achtzehnten Loch. Seit wir uns die Hand gegeben hatten, beäugte er mich mit kaum verborgenem Argwohn und suchte nach Anzeichen, dass ich nicht für seine Tochter taugte. Er stellte sich als Stephen vor und betonte dabei die zweite Silbe so überdeutlich, damit ich es ja nicht vergäße und es wagte, ihn Steve zu nennen.
Emmas Mutter, Diane, war das völlige Gegenteil, eine fröhliche, immerzu lächelnde Frau, die ein paar Jahre jünger war als ihr Mann und mich mit einer freundschaftlichen Umarmung und Wangenküsschen begrüßte, was ich aber kaum zur Kenntnis nahm, weil mir Stephen jetzt schon Kopfzerbrechen bereitete. Als pensionierter Finanzbuchhalter war er der Prototyp des wichtigtuerischen Pedanten, einer, der die Zeitung von vorne bis hinten las, den Zustand des Landes beklagte und mit Sicherheit jedes Detail über einen Polizisten aufgesogen hatte, nach dem wegen mindestens sechs Morden gefahndet wurde.
Emma dagegen schien rundum glücklich, mich ihren Eltern vorstellen zu können, erzählte voller Stolz von unserer Beziehung und wie schön wir es zusammen hatten.
Jetzt im dritten Monat war sie voll erblüht, ihr Gesicht strahlte vor Gesundheit, und das Bäuchlein war noch nicht zu sehen. Sie benahm sich, als könne nichts auf der Welt ihr etwas anhaben.
Nachdem sie in ihr Hotel eingecheckt hatten, das etwa siebenhundert Meter von meinem Bungalow entfernt lag, machten wir uns zu einem späten Mittagessen auf. Danach kutschierte ich sie mit einem Jeep, den ich von einem Freund geliehen hatte, über die Insel und zeigte ihnen die diversen Sehenswürdigkeiten. Es wurde ein recht vergnüglicher Nachmittag, vor allem, weil ich es vermied, mit dem alten Herrn zu reden, während er sich ebenfalls von seiner vermutlich besten Seite zeigte und mich nur ein bisschen über die Firma ausfragte, ansonsten meistens schwieg.
Doch als wir uns am Abend zum Dinner trafen, merkte ich sofort, dass er wusste, dass mit mir etwas nicht stimmte. Er durchwühlte regelrecht meine Vergangenheit, wollte wissen, was ich in England getan hatte, für wen ich gearbeitet hatte, woher meine Familie stammte, und das alles mit einer gezwungenen Beiläufigkeit, die in krassem Gegensatz zu dem kalten Verdacht stand, der aus seinen Augen sprach. Belustigt forderte seine Frau ihn ein paar Mal auf, das Verhör zu beenden, aber nur Emma schien zu spüren, dass etwas in ihrem Vater vor sich ging.
Ich versuchte, es locker zu nehmen, fragte ihn nach seinem Hintergrund, brachte das Gespräch auf aktuelle Themen und ergriff immer wieder Emmas Hand, um unsere Vertrautheit zu demonstrieren. Doch in mir brodelte es,
und je weiter der Abend fortschritt, desto schlimmer wurde es. Einmal ertappte ich Stephen, wie er mich aus den Augenwinkeln musterte, weil er glaubte, ich würde es nicht bemerken. Es war, als habe er mich schon einmal gesehen und versuche, sich daran zu erinnern, wo und wann.
In diesem Moment wich meine Panik einer dumpfen Resignation, und meine Beziehung zu Emma und zu unserem ungeborenen Kind – der einzige Zipfel vom Glück, den ich jemals erwischt hatte – war vorbei. Ihr Vater mochte zwar noch nicht darauf gekommen sein, aber das war nur noch eine Frage der Zeit. Und dann würde ich nicht nur Emma verlieren, sondern auch meine Freiheit.
Nachts im Bett, neben Emma, die sich in meine Achselhöhle gekuschelt hatte, lauschte ich den Grillen, die im hohen Gras vor dem Fenster zirpten, und fasste meinen Plan.
Am nächsten Morgen erzählte ich ihr, mir sei übel, und wenn es ihr nichts ausmache, würde ich noch eine Weile im Bett bleiben und hoffen, dass es besser würde. Da wir mit ihren Eltern nur an den Strand wollten, konnte
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