ErosÄrger
Grenzen. Scheiß was auf die gute Lilly, die für alles und jeden Verständnis hatte. Jetzt war Schluss damit. Ich hatte kein Verständnis und war wütend. Wirklich, wirklich wütend.
Der selbstgerechte Zorn brodelte noch in mir, als ich mich umdrehte und den ersten Schritt Richtung Aufzug gemacht hatte. Und da hing er. Harmlos. Kaum sichtbar. Über einem zertrampelten Kürbis. Und mitten in meiner gottverdammten Firma.
Ein nicht-existierender Liebeszauber.
»Verdammte Hacke!«, fluchte Hathor. Ihre Finger verharrten kurz vor dem Zauber, während ihr Gesicht mehr ausdrückte als ihre Worte gesagt hatten: Ehrfurcht.
Auch Kirkes Miene war in einer Mischung aus Bewunderung und Wut gefangen. Doch im Gegensatz zur ehemaligen Liebesgöttin wedelte sie mit den Händen und ihre Finger woben ein Netz aus verschiedenen Zaubern in die Luft.
Ungerührt ihrer Künste und ihrer Macht glitt das Netz durch den Liebeszauber, ohne Schaden oder Wirkung zu erzielen.
»Danke, dass ihr so schnell zur Matching-Myth gekommen seid.« Obwohl ich mich in relativ weitem Abstand zu dem Zauber befand, konnte ich seine Auswirkungen auf mich spüren. Mein Körper kribbelte, als stünde ich unter erotischem Starkstrom. Konnte aber auch Einbildung sein.
»Keine Ursache, mein Date war sowieso ein Hornochse«, meinte Kirke. Dann stutzte sie und fügte mit Blick auf die kuhköpfige Göttin ein »war nicht persönlich gemeint« hinzu.
»Schlechte Wortspielkarte für Kirke.« Hathor trat einen Schritt näher gen Liebesmagie. Ich wich unwillkürlich einen zurück.
»Als ehemalige Liebesgöttin müsste ich immun sein.«
»Und wenn nicht?« Eine ganz blöde Idee fand ich. Sowohl das Austesten, als auch die Vorstellung sie sei nicht immun. Konnte man gegen Liebeszauber immun sein? Als Ex-Liebesgöttin? Naja, immerhin waren alle anderen gemeinsam in der fragwürdigen Sicherheit des Wartezimmers untergebracht.
»Knutsche ich eben mit dir, Lilly.« Hathors Antwort war nonchalant und hinterließ einen bitteren Geschmack in meinem Mund. Weniger beim Vorstellung von Zungenspielen mit der ehemaligen Göttin als bei dem Gedanken an das Risiko ihres Liebeszauber-Tests.
»Nimm lieber mich, dann hat mich wenigstens einer lieb«, murmelte Kirke.
»Schluss mit dem Selbstmitleid!« Ich zog die Zauberin ein Stück weit nach hinten, um sie aus der aktuellen Gefahrenzone zu ziehen. »Nur weil jemand dick ist, ist er kein schlechter Mensch oder ein Hornochse. Du gibst den Leuten überhaupt keine Chance, dich kennenzulernen – und dir keine, sie kennenzulernen.«
Na toll. Direkt vor mir schwebte ein illegaler Liebeszauber, eine ehemalige Göttin versuchte ihn zu deaktivieren, ich hatte noch 24 Stunden, um meine Firma zu retten und gab trotzdem noch Beziehungsweisheiten von mir. Liebesvermittlerin konnte eben nicht aus ihrer Haut.
»Ich probiere es jetzt!«, warnte Hathor ungeachtet meiner Worte. Vielleicht hatte ich sie mir ja auch nur eingebildet.
»Sollten wir nicht die anderen rufen?«
»Nein!« Die Antwort der beiden Ratsherrinnen kam beinahe gleichzeitig und veranlasste mich dazu, beiden geistig Pluspunkte gutzuschreiben. Bei einer anderen Entscheidung hätte ich wahrscheinlich in wenigen Minuten den Schlusssong vom Rosaroten Panther singen können, weil einer an der Ultimatumsuhr drehen würde.
Gleichzeitig mit den beiden anderen wandte ich mich wieder zu dem Zauber. Aber nur ich drehte mich weiter, als ich das Geräusch hinter mir hörte.
Die Tür zur Treppe – den Fahrstuhl hatten wir wegen des Zaubers sicherheitshalber für Besucher deaktiviert – öffnete sich. Genau in dem Moment, in dem Hathor ihre Hand nach dem Zauber ausstreckte.
Gerne würde ich sagen, die Zeit wäre plötzlich langsamer geworden, oder in Zeitlupe gelaufen, aber das war nicht der Fall. Sie lief ungerührt weiter, Hathor erschrak, erwischte den Zauber nur halb, er fiel auf den Boden und verpuffte unspektakulär und die Kuh, die hinter der Tür auftauchte und nicht durch den Rahmen passte, stand wortwörlich auf dem Flur.
Erleichtert atmete ich aus. Ich hatte nicht einmal mitbekommen, dass ich die Luft angehalten oder kurz vor einer Panik gestanden hatte. Normalerweise lauerte hinter meinen Türen immer irgendetwas Furchterregendes, Unheilvolles. Doch an einer Kuh, hübsch und mit schokobraunen Flecken, war nichts grauenvolles zu entdecken, und wenn sie sich nicht plötzlich in irgendetwas schlimmes verwandeln würde, dann würde das auch so …
»Ach du Scheiße!«, sagte
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