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Erste Male

Erste Male

Titel: Erste Male Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan McCafferty
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Dann eröffnete Havisham uns, dass sie wegen des Zeitdrucks die meisten Themen der ersten Ausgabe vorgeben wollte – wir mussten uns bloß noch eins aussuchen. Der Rest der Stunde ging also für die Entscheidung drauf, welcher unerschrockene Investigativ-Reporter sich auf brandheiße Themenwie »Cheerleader arbeiten hart für gelungene Homecoming-Party« oder »Footballteam gibt Gas für siegreiche Saison« stürzen wollte.
    Ich weigerte mich, freiwillig an so lahmarschigen Artikeln mitzuschreiben. Miss Hyacinth Anastasia Wallace kriegt einen sechsstelligen Vorschuss auf ihr Buch, und ich soll für The Seagull’s Voice schreiben? Nein danke. Die Stunde zog sich, schließlich waren bloß noch die weniger attraktiven Themen zu haben (»Neuer Cola-Automat für die Cafeteria«), und ich war heilfroh, früher gehen zu können. Ich war schon fast draußen, als Havisham sagte: »Jessica, ich würde gern nach der Stunde kurz mit dir reden. Ich entschuldige dich für die nächste Stunde.«
    Da war mir klar, ich würde nicht davonkommen.
    Als alle weg waren, setzte sich Havisham an den Tisch neben meinem. Ich konnte ihre Knochen buchstäblich knacken hören.
    »Wie wichtig ist dir Redefreiheit?«
    »Äh … Redefreiheit?«
    »Ja.«
    »Hmm … ich denke eigentlich nicht viel drüber nach.«
    Havisham zuckte unwillkürlich mit der Nase wie ein schnupperndes Kaninchen. Das tut sie meist, wenn die heutige Jugend sie anwidert.
    »Na, dann solltest du öfter drüber nachdenken.«
    »Das nehme ich als guten Rat«, sagte ich und griff nach meinen Krücken.
    »Deine Texte haben mich sehr beeindruckt«, sagte sie und legte mir ihre geäderte Hand auf den Arm, um mich am Aufstehen zu hindern. »Deine Aufsätze haben meistens einen ganz eigenen Ansatz. Zum Beispiel neulich der Essay über die Wirkung von Technologie auf die Gesellschaft.«
    Damit meinte sie den letzten der todlangweiligen Essays, mit denen wir auf die Schreibtests vorbereitet werden sollen, die allen Elftklässlern im Frühjahr bevorstehen. Vergesst die SATs zur Uni-Einstufung – die meisten Schüler der Pineville High bestehen nur mit Mühe solche Grundlagen-Prüfungen. Peinliche dreißig Prozent des Abschlussjahrgangs 2001 sind letztes Jahr durch den Englisch-Teil gefallen, weshalb die Schulleitung beschlossen hat, mit endlosem Essay-Schreiben, Wortschatztraining und Leseverständnisübungen gegenzusteuern. Kommt bloß ungefähr zehn Jahre zu spät.
    »Du hast darin bemerkt, dass kein technischer Fortschritt echte zwischenmenschliche Interaktion ersetzen kann. Besonders berührt hat mich dein Eingeständnis, dass es manchmal eher eine Last als eine Hilfe ist, deine weggezogene Freundin rund um die Uhr kontaktieren zu können, weil du dir dann noch mehr wünschst, sie wäre wieder hier.«
    »Danke.« Ich rutschte unbehaglich auf dem Stuhl hin und her. Wenn ich einen Essay abgebe, vergesse ich meist sofort, was ich geschrieben habe, bis ich ihn mit einem A drauf wiederkriege – und dann vergesse ich ihn wieder. Als ich jetzt Havisham über Hope reden hörte, ging mir auf, dass ja tatsächlich jemand meine Ergüsse las. Ich hatte etwas sehr Persönliches preisgegeben, und bei dem Gedanken wurde mir unwohl.
    »Nicht viele Schüler können sich eine Welt ohne E-Mail oder Internet vorstellen«, sagte sie. »Oder gar die Vorzüge des früheren Zustandes sehen.«
    Ich überlegte, was Marcus wohl geschrieben hatte. Ich weiß ja, was er über technischen Fortschritt denkt, aber ihn hatte Havisham nicht nach der Stunde dabehalten, um mit ihm drüber zu reden.
    Havisham wedelte mit ihrem faltigen Finger in meineRichtung und schreckte mich aus meinen Grübeleien auf. » The Seagull’s Voice braucht deine Stimme, Jessica.«
    »Meine Stimme? Welche Stimme?«
    »Ich glaube, du könntest ausgezeichnete Leitartikel schreiben …«
    Oh Gott. Das wollte ich nun ganz bestimmt nicht, auf gar keinen Fall. Warum sollte ich meine Zeit damit verschwenden, für eine Zeitung zu schreiben, die kein Mensch liest? Außerdem bin ich keine Autorin. Ich sitze nicht in Cafés rum und rauche, trage Schwarz und analysiere Sylvia Plaths Texte, bis ich depressiv werde. Na gut, depressiv bin ich zwar, aber nicht zum Zeitvertreib.
    »Und ich nehme nicht an, dass du so bald wieder laufen wirst.«
    »Ja, gut, das nicht, aber«, ich suchte nach irgendeiner Ausrede, um sie abzuwimmeln, »aber ich bin trotzdem total im Stress …«
    »Es würde sich sehr gut in deinen Bewerbungsunterlagen für die Uni

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