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Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Titel: Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Esquivel
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Tee.
    Tita trank ihn in kleinen Schlücken, um den Geschmack jener unbekannten und zugleich so vertrauten Kräuter ausgiebig zu genießen. Was für ein wohliges Gefühl erfüllte sie da auf einmal mit der Wärme und dem Geschmack dieses Kräutertees.
    Eine geraume Weile verharrte sie so an der Seite der Frau. Sie sprach ebensowenig wie Tita, doch das war auch nicht nötig. Von Beginn an hatte sich eine Art Verständigung zwischen beiden entsponnen, die jenseits aller Worte lag.
    Von dem Moment an besuchte Tita sie tagtäglich. Doch mit der Zeit fand sie immer häufiger Dr. Brown an der Stelle der Frau vor. Beim ersten Mal war Tita ziemlich verwundert, hatte sie doch weder erwartet, ihn dort anzutreffen, noch, daß der Doktor die Einrichtung des Ortes derart verändern würde.
    Plötzlich standen dort zahlreiche Geräte für wissenschaftliche Experimente, Reagenzgläser, Lampen, Thermometer usw... Der kleine Herd nahm nicht mehr den wichtigsten Platz ein, sondern war in eine Zimmerecke verbannt worden. Ihr gefiel das ganz und gar nicht; da sie freilich nicht wollte, daß ihr auch nur ein Laut über die Lippen kam, behielt sie ihre Meinung lieber für sich, ebenso wie die Frage nach dem Verbleib und der Identität jener Frau. Im Übrigen mußte sie sich eingestehen, daß ihr Johns Gegenwart durchaus behagte. Die einzige Veränderung bestand darin, daß er sehr wohl gesprächig war und daß er, statt zu kochen, damit beschäftigt war, seine Theorien wissenschaftlich zu überprüfen.
    Diese Vorliebe für wissenschaftliche Experimente hatte er von seiner Großmutter geerbt, einer Kikapú- Indianerin, die sein Großvater entführt hatte, um mit ihr weit von ihrem Stamm entfernt ein gemeinsames Leben zu führen. Obwohl er sie in aller Form heiratete, akzeptierte die in ihrer Überheblichkeit typische nordamerikanische Familie des Großvaters sie nie offiziell als seine Frau. Da hatte der Großvater ihr jenen Anbau eingerichtet, wo die Großmutter sich den überwiegenden Teil des Tages derjenigen Tätigkeit widmen konnte, die sie am meisten interessierte: die Heilwirkungen der Pflanzen zu erforschen.
    Gleichzeitig diente ihr jener Raum als Unterschlupf, um den Anfeindungen der Familie zu entgehen. Diese begannen schon damit, daß man ihr den Spitznamen »die Kikapú« gab, statt sie bei ihrem richtigen Namen zu nennen, in der Meinung, damit würde man sie maßlos beleidigen.
    Für die Browns verkörperte die Bezeichnung »Kikapú« das Schlimmste, was sie sich auf dieser Welt vorstellen konnten, nicht so jedoch für »Morgenlicht«. Für sie bedeutete es genau das Gegenteil und erfüllte sie mit grenzenlosem Stolz.
    Jahre sollten vergehen, bevor die Browns ein wenig mit der Kultur der »Kikapú« in Berührung kamen. Das geschah, als Johns Urgroßvater Peter schwer an einem Bronchialleiden erkrankte. Die Hustenanfälle ließen ihn immer wieder dunkelviolett anlaufen. Die Luft konnte nicht mehr ungehindert in seine Lungen strömen. Seine Frau Mary, die als Tochter eines Arztes ein wenig von Medizin verstand, wußte, daß in solchen Fällen der Organismus des Kranken eine vermehrte Anzahl roter Blutkörperchen bildete. Um dem entgegenzuwirken, war es ratsam, einen Aderlaß vorzunehmen, der verhindern sollte, daß eine überhöhte Menge jener Blutkörperchen einen Schlaganfall oder eine Thrombose hervorrief, da beides für den Kranken den sicheren Tod bedeutet hätte.
    Johns Urgroßmutter Mary legte sich also die Blutegel zurecht, mit denen sie den Aderlaß an ihrem Mann vornehmen wollte. Bei diesen Vorbereitungen zeigte sie sich sichtlich stolz über ihre fortschrittlichen Kenntnisse auf dem Gebiet der modernen Medizin, die es ihr erlaubten, nach den anerkannt besten und neuesten Methoden über die Gesundheit ihrer Familie zu wachen, nicht mit Heilkräutern wie »die Kikapú«.
    Die Blutegel werden eine Stunde lang in ein Glas mit einer halben Fingerbreite Wasser gelegt. Der Körperteil, an dem sie angesetzt werden sollen, muß mit lauwarmem Zuckerwasser gereinigt werden. Inzwischen werden die Egel auf einem sauberen Leintuch bereitgelegt und gut abgedeckt. Dann plaziert man sie an der Stelle, an der sie sich festsaugen sollen, wobei sie mit dem Tuch sorgfältig gehalten und so stark wie möglich auf die Haut gepreßt werden, damit sie sich nicht an einem anderen Punkt ansaugen. Sollte es nach dem Abnehmen nötig sein, die Hautstelle von Blut zu reinigen, so geschieht das durch leichtes Abreiben mit warmem Wasser. Um das Blut

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