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Euro Psycho

Euro Psycho

Titel: Euro Psycho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Taylor
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den Lippen. Englands Rechtsverteidiger Glen Johnson war auf der Linie, Shawo nicht im Abseits. Ich drehe mich, beäuge den Schiri, kein käseweißes Zeichen der Korruption an seinem Handgelenk.
    Es muss ein Tor sein. Und es ist eins.
    Aber was ist das? In meiner Verwirrung starre ich zu Shawo Mamedow, der vom Platz rast, zu unseren Fans auf der Nordtribüne der Danziger PGE Arena. Die sind in Ekstase. Craggsy ist mit seinem Ganzkörpergips sicher angeschnallt und liegt liebevoll gebettet in seiner Galeone, das Segel hoch über seinem Kopf. Er trägt eine Augenklappe. Er ruft: »Ahoi!«
    Ich sehe, wie Shawo herunterhüpft von der digitalen Werbe bande – die gerade Canon bewirbt, den offiziellen Kamera-Sponsoren 2012 –, und plötzlich, wenn auch nur für eine Sekunde, ist Atmosphäre in der PGE Arena. Eine Sekunde lang ist es so, als ob die Euro 2012 ein Platz für Fans sei. Dass Medien-Bereiche, VIP -Sitze und Logen nicht da seien. Eine Sekunde lang ist es wie eine Rückkehr in die dunklen Tage, ehe dieses barbarische Spiel monetarisiert, fremdfinanziert, ziviler gemacht wurde.
    Ich fühle mich dahin zurückversetzt. Und ich weiß nicht, was ich tun soll.
    Ich falle auf meine Knie. Klonk.
    Ich bin WIRKLICH zweigeteilt. Denn auf der einen Seite gab es eine Vorlage von mir, ein Tor für uns. Im Euro-Viertelfinale. Ein mächtiges, mächtiges Tor.
    Aber auf der anderen Seite …
    Der Rockmusiker Bill Wyman … der Parlamentarier William Hague … die Matrone Judi Dench …
    Sie blitzen vor meinen Augen auf. Nackt, was verrückt ist. Ihre Genitalien eingerieben mit Erbsenbrei. Ich kann die Minzsauce auf diesem Erbsenbrei schmecken.
    Es schmeckt wie England.
    HP -Sauce, grauenhaft schlechte Zahnversorgung, Prinzessin Eugenie: Habe ich euch betrogen?
    Was hab ich getan? Die Vorarbeit geleistet gegen die Brust, die mich gesäugt hat.
    Ich bin gebrochen, ich bin verloren.
    Ich falle nach vorn, liege da, mit meinem Gesicht auf dem Rasen der PGE Arena. Und Gott, und nein … Weil ich mich korrumpieren ließ, zerbröselt es mich. Aber dann wiederum: Wie kann ich der Carlsberg-»Man of the Match« werden, wenn ich hier einfach nur rumliege?
    Wie kann ich den »Goldenen Schuh 2012« von Adidas kriegen?
    Wie soll ich die Auszeichnug zum »Spieler des Turniers« von Castrol erhalten, wenn ich bäuchlings auf dem Danziger Rasen liegen bleibe? Ich meine, im Stadionumlauf sind nun sechzehn Castrol-Kameras platziert, um die Leistung der Spieler zu beobachten und um mit diesen Echtzeitdaten den Castrol-Leistungs-Index zu füttern. So kann der Aktionsradius eines jeden Turnierspielers objektiv bestimmt werden. Doch diese sechzehn Kameras filmen jetzt gerade meinen statischen Arsch und wie ich paralysiert auf dem Gras liege.
    Das ist meine Echtzeit-Spielerleistung.
    Würde beispielsweise Cristiano Ronaldo, der portugiesische Stürmer, den wir in den Play-Offs abgesägt haben, ein Mann, der Castrol für die gleiche Hingabe an Erfolg und Gewinnen bewundert, die er selbst auf dem Platz zeigt, würde er dort einfach liegen bleiben? Würde Ronaldo – der seinen eigenen Bereich auf castrolfootball.com hat und der in einer Film-Dokumentation für Castrol auftritt, in der er bis an seine Grenzen getestet wurde – WISSENSCHAFTLICH – von jenem Unternehmen, dessen Öl 40 Prozent stärker in der Reduktion des Metall-zu-Metall-Kontakts ist, als das des führenden Mitbewerbers –, würde dieser Ronaldo auch so rumzappeln auf dem Rasen, die Kameras auf seinem Arsch rumzappen lassen, während er im Ranking des Castrol-Performance-Index’ hinunterstürzt? Ich denke nein.
    Und doch bin ich unfähig, mich zu bewegen. Ich bin gelähmt.
    Ich brauche wirklich Hilfe.
    Also, komm zurück zu mir, Kevin Keegan.
    … Keegan?
    »Kev«, höre ich eine Stimme sagen, die mich in der Einöde meines Ichs findet. »Kev«, höre ich noch einmal.
    Gott, was für eine Erleichterung. Mein Mentor ist zurückgekommen, um mich zu führen.
    » KEEEEEEGGGAAAANNNNN! «, schreie ich. »Ich. Bin. Traurig.«
    Aber: »Äh, ich bin’s, Vik«, sagt die Stimme.
    Was?
    »Ich denke, du gehst besser runter, Kev.«
    Ich werde von Vik Dink hochgehoben, er hält mich fast schon in seinen Armen, und ich werde humpelnd vom Rasen geführt. Ich glotze in die Richtung der weißen Linie, kann – durch die Tränen, durch den Auswurf – gerade noch so meinen Ersatz ausmachen. Ist das ein weiterer BeJoshi? Woher kommen die nur alle? Und dieser neue BeJoshi steht an der Seitenauslinie, springt

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