Euro Psycho
Job.
Ich halte kurz inne und tänzle in Bruce-Lee-Manier auf ihn zu.
Du gehörst mir, Kinnmännchen.
»Kev, bitte. Ich kann das erklären« oder »Ich werde dir alles sagen, aber lass mich gehen«, sagt er nicht. Er dreht sich nur zu mir um, sieht mir in die Augen und singt sie, die letzte Zeile ihrer Nationalhymne: »Und so lege ich Ehre ein, für mein Land, für mein Land. Erniedrige mich selbst für mein Land.«
Dann stößt er sich mit einem Schwalbensprung vom Dach ab und schlägt auf dem Beton darunter auf.
Schlecht konzipierter Filzhut
»Also hast du ihn wiedererkannt, weil er immer beim Training rumgehangen hat?«
»Genauso ist es«, antworte ich unserem Ex-Postboten Shawo Mamedow.
»Und wann hast du ihn in der Masse gesehen? Hast du einfach so realisiert, dass er der Killerfan ist?«
»Ja, in null Komma nichts.«
»Dann hast du ihn verfolgt?«
»So war’s. Genauso wie du es in den Zeitungen gelesen hast.«
Ein großes Dankeschön noch einmal an die königliche Presse dieses Landes. Sie hat nicht nur meine Metzelei mit dem Messer dem verrückten Fan angeheftet, sondern jetzt, wo ich an einer haarigen Hetzjagd mit Todesfolge beteiligt bin, lassen sie mich sogar als Held auftreten und besetzen den Killerfan mit dem Kinnmännchen.
Was nett ist.
Aber hier enden die Nettigkeiten dann auch. Ich seufze und schaue rüber zum Rest der Mannschaft: Die BeJoshis lehnen sich in den Lederstühlen zurück, sie kriegen den genau gleichen Karpfen – den größten aus dem Teich ihres Dorfes – auf ihren jeweils linken Arm tätowiert. Nico van Nilis kriegt ein lebensgroßes Porträt von sich selbst als Jack Nicholson in The Shining auf den Rücken. Ash Hughes kriegt das Teamsymbol, die Wachtel, auf seinen linken Brustmuskel, weil er es dort drüben liebt.
Das alles geht auf meine Rechnung.
Die kleinen Jungs feiern eine Party in meiner Bude. Ich habe die Profi-Tattoo-Stühle organisiert, habe meinen Stecher Chico und seine Crew aus Zone eins eingeflogen. Ein Tattoo for free für jeden. Eine Team-Building-Maßnahme. Den Kampfgeist stärken vor diesem Alles-oder-nichts-Spiel gegen Dynamo in drei Tagen. Nicht dass ich jetzt in der Stimmung dafür wäre, nicht dass es mir scheißegal wäre, wer diese Couscous-Meisterschaft gewinnt.
Richtig scharf auf frische Tinte bin ich gerade auch nicht. Denn als sich der Trottel selbst vom Dach gelupft hat wie ein großer Scheißvogel, flogen die Chancen darauf, meinen Ruf wiederherzustellen, mit ihm hinab.
Und ich habe keine Spur.
Ich könnte mich fragen, ob Lazor Duran daran beteiligt ist. Ich könnte misstrauisch bleiben, was El Presidente betrifft und Shishakli – der im Lande ist, wie sich rausgestellt hat, und mich später sehen will –, aber Beweise? Habe ich eine Rechtfertigung, diese Männer zu jagen und sie zur Rede zu stellen? Nein. Was ich brauche, sind Beweise, keine weitere Schreckensnacht mit dem Punch-Dagger und der geringen Möglichkeit, dass einer von ihnen mit hineingezogen wird.
Ich bin geschlagen.
Aber dann waren die Flüge für Chico und seine Tattoo-Kumpel gebucht, also kamen sie hier raus zu mir.
Jetzt ist ein BeJoshi fertig, also bin ich an der Reihe. Es wird erwartet, dass ich eine ungewöhnliche Erleuchtung präsentiere, irgendeine geniale Tattoo-Idee, um die Mannschaft aufzuwecken. Aber mein Herz ist nicht mit von der Partie. Trotzdem gehe ich langsam auf Chico zu, führe einen maskulinen und kunstfertigen Handschlag aus, sodass ich mich noch frage, was ich hier eigentlich tue, als wir schon starten. Ich nehme meinen Platz im Sessel ein.
Brauche ich das wirklich?
»Die Tinte macht sich gut, Kev«, sagt Chico und sieht auf die Vorderseite meines Oberkörpers. Er begutachtet seine eigene geschickte Arbeit: Die inspirierenden Mottos in Sanskrit und Latein sowie der Wappenspruch der Königin verleihen mir die Aura eines polyglotten Maori.
Bellum omnium contra omnes. Der Krieg aller gegen alle. Habe ich auf meinem linken Unterarm tätowiert in großer Frakturschrift. Aber heute lässt es mich kalt. Berühre den Himmel mit Ruhm , aber in Sanskrit. Steht auf meinem rechten Arm. Aus der Zeit, als Kev noch in voller Pracht war, als ich alles gegeben habe. Diese Tattoos sind von einem anderen Mann ausgewählt worden, einem besseren Kev. Insbesondere das Three-Lions -Tattoo auf meinem Arsch.
Ich seufze, blicke hoch, sehe Chico runterglotzen, er zeigt einem seiner Assistenten einen Teil seiner Arbeit. »Das ist mein Favorit«, sagt Chico glücklich
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