Eve & Caleb - 02 - In der gelobten Stadt
königliche Paar ausließ.
Ich hasste es, was er von mir dachte – was sie alle von mir denken mussten. Dass ich, nachdem Caleb fort war, wieder in den Palast zurückgekehrt war und mir die Heirat mit Charles zum Ziel gemacht hatte. Ich hatte keine Möglichkeit, mich zu erklären. Was immer ich getan hatte, um meine Loyalität unter Beweis zu stellen, zählte jetzt nicht mehr. In ihren Augen war ich eine Verräterin. Während ich das jeden Tag ein wenig mehr akzeptierte, breitete sich eine Traurigkeit in mir aus, die jedes Frühstück, jede Gala und jeden Toast noch so viel einsamer erscheinen ließ.
»Eure Königliche Hoheit«, sagte Beatrice, als sie mit einem Knicks in die Suite trat. »Ich habe die Kleider in den unteren Salon bringen lassen. Sie liegen dort für Euch bereit.«
Ich betrachtete mein Spiegelbild und fragte mich, wie mich irgendjemand für glücklich halten konnte. Die Haut unter meinen Augen war verquollen. Meine Wangen sahen ebenso eingefallen aus wie in den ersten Tagen nach meiner Ankunft. Ich blinzelte ein paarmal und unterdrückte die Tränen. »Sie müssen das nicht tun«, sagte ich schließlich.
»Möchtet Ihr sie lieber im oberen Wohnzimmer haben?«, fragte sie.
»Nein – den Unfug mit ›Königliche Hoheit‹«, sagte ich und drehte mich zu ihr. »Das ist hier unnötig.«
Beatrice seufzte. »Na ja, ich kann nicht durch den Palast laufen und Sie Genevieve nennen. Das würde der König nicht erlauben.«
Ich zupfte am Saum meines blauen Kleides herum und empfand Befriedigung, dass sich die Seide kräuselte, als ich an einem losen Faden zog. Ich wusste, dass sie recht hatte. Trotzdem wollte ich unbedingt meinen richtigen Namen hören – nicht Prinzessin Genevieve, nicht Prinzessin oder Eure Königliche Hoheit, sondern einfach nur Eve.
»Ich habe mir über Ihre Tochter Gedanken gemacht«, sagte ich. »Ich brauche nur ein wenig Zeit. Ich muss herausfinden, auf welcher Schule sie ist und wer dort als Schulleiterin arbeitet. Vielleicht habe ich nach meiner Hochzeit«, ich stolperte über das Wort, »eine größere Chance, über ihre Freilassung zu verhandeln. Zum Glück haben wir noch Zeit, bis …«
Beatrice kam auf mich zu. »Ja, ich weiß …«, sagte sie, ihre Stimme war nur noch ein Flüstern. Wir standen schweigend da, dann nahm ich ihre Hand in meine. Ich drückte sie und versuchte, das Zittern ihrer Finger und die Tränen, die sich in ihren Augen sammelten und ihre Wangen hinunterzukullern drohten, aufzuhalten. »Wir sollten gehen«, sagte sie schließlich und wandte sich zur Tür.
Auf dem Gang war es ruhig. Charles und der König waren in der Stadt und besichtigten einen der neuen Viehzuchtbetriebe nahe der Mauer. Aus einem anderen Zimmer drangen gedämpfte Staubsaugergeräusche.
Der Aufzug öffnete sich ein Stockwerk tiefer, wo in einer Ecke große weiße Schachteln aufeinandergestapelt waren. Rose und Clara saßen in der anderen Ecke, aßen Heidelbeermuffins und tranken Kaffee – ein Getränk, das ich noch kennenlernen musste. Rose trug noch immer ihren seidenen Schlafanzug, ihre blonden Haare waren auf dem Kopf zusammengesteckt, in der Hand hielt sie die Tageszeitung. Keine von beiden blickte auf, als wir hereinkamen.
»So, das sind die Kleider«, erklärte Beatrice und ging auf den Stapel zu. »Sie stammen alle aus der Zeit vor der Epidemie, sie wurden allerdings damals imprägniert und eingelagert, deshalb ist der Stoff noch so hell. Ihr werdet sehen, die Spitze ist in einwandfreiem Zustand. Das ist ziemlich erstaunlich.« Sie nahm den Deckel von einer langen Schachtel, die auf dem Boden stand, und holte ein weißes Kleid heraus, das mit Papier ausgestopft war. Das Mieder war mit winzigen Perlen bestickt. Ich wusste, ich hätte aufgeregt sein sollen, doch als meine Finger den Ausschnitt berührten und über die harten aufgebauschten Ärmel fuhren, empfand ich nur Angst.
»Muss das jetzt sein?«, fragte Rose und legte ihre Zeitung hin. »Wir frühstücken.« Sie schwenkte ihren Kaffee in der Tasse, bevor sie einen weiteren Schluck trank.
Beatrice stieß einen Seufzer aus. »Ich bedaure, Ma’am, aber es ist eine Anordnung des Königs. Es muss heute Morgen entschieden werden und ich gehe davon aus, dass wir diese Schachteln jetzt nicht woanders hinbringen können.«
Clara verdrehte die Augen. Sie schob ihren Teller von sich und erhob sich. Bevor sie zur Tür hinausging, sah sie mich an. Ihre Mutter folgte ihr. Selbst nachdem sie auf dem Gang um die Ecke gebogen
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