Evermore Bd. 6 - Für immer und ewig
Flüssigkeit zwischen Daumen und Zeigefinger.
Ganz ähnlich wie jetzt Damen.
Er ertappt mich dabei, wie ich darauf starre, und umfasst das Glas fester, sodass die grüne Flüssigkeit seitlich hochschwappt und fast über den Rand läuft.
Und ich weiß, um so zusammen sein zu können, wie wir es wollen, brauchen wir nur davon zu trinken,
Jeder von uns braucht nur einen kleinen Schluck zu nehmen, weiter nichts.
Einen kleinen Schluck, und all unsere Probleme verschwinden.
Bloß dass ich das eben früher gedacht habe. Jetzt weiß ich, dass es nicht mehr stimmt.
Das Gegengift mag ja eine sichere Sache sein, aber die umfassendere Lösung, die wahre Lösung bietet keine Garantie. Sie verlangt einen Vertrauensvorschuss – einen gewaltigen Vertrauensvorschuss –, den ich dennoch zu gewähren bereit bin.
Aber allem Anschein nach, so wie Damen das Fläschchen vor sich hält, sieht es ganz danach aus, als wäre ich die Einzige, die es so empfindet.
Trotzdem fasziniert mich der Anblick. Mich fasziniert die Erkenntnis, dass ich drauf und dran bin, genau der einen Sache, nach der ich so lange gesucht habe, den Rücken zuzuwenden.
Ich hebe die Hände, die Lotosblüte schützend zwischen beiden Handflächen, und sage: »Ich habe Lotos gesehen – direkt bevor sie übergetreten ist. Sie wollte, dass ich sie dir gebe.« Mein Blick begegnet seinem, und ich registriere, dass er von meinem Anblick völlig gebannt ist, während das
Gegengift nach wie vor in dem Fläschchen in seiner Hand herumwirbelt.
Er greift zwar nicht nach der Blume, doch er gibt mir eine Antwort. »Eigentlich habe ich immer geglaubt, dass er ein reiner Mythos ist. Ich hätte nie gedacht, dass es ihn wirklich gibt.«
Ich trete näher zu ihm hin, drücke mich an einem antiken Tisch mit Marmorplatte vorbei, der mit Stapeln von sehr eindrucksvollen signierten Erstausgaben bedeckt ist, die bei einer Versteigerung locker Hunderttausende von Dollar einbringen würden.
»Der echte Baum des Lebens!« Er blickt zwischen mir, der Lotosblüte und dem Gegengift in seiner Hand hin und her und schüttelt sacht den Kopf. »Für mich ist es verblüffend, dass du ihn nicht nur gefunden hast, sondern auch genug Früchte für alle von unserer Art mitgebracht hast«, sagt er. »Ich kann mich zwar nicht dazu überwinden, davon zu essen, aber ich bin wirklich beeindruckt und erstaunt darüber, dass du das geschafft hast.«
Trotz der Wärme in seinen Augen höre ich nur eines: Ich kann mich nicht dazu überwinden, davon zu essen.
Die Worte hallen derart in meinem Kopf wider, dass ich keine Luft mehr bekomme und mir die Knie weich werden.
Wir sehen uns an, das Schweigen breitet sich aus und liegt lastend zwischen uns. Wenn ich könnte, würde ich den Moment verlängern, ihn wachsen und für immer andauern lassen, doch ich weiß, dass er ein Ende haben muss. Alles hat ein Ende. Und ich weiß auch, was gesagt werden muss, also kann ich es genauso gut aussprechen.
»Ich schätze, das war’s dann, oder?« Ich versuche nicht so gebrochen zu klingen, wie ich mich fühle, aber das gelingt mir nicht mal ansatzweise.
Er sieht mich an, und seine Miene ersetzt jegliche Worte, die er eventuell sagen könnte, und so seufze ich tief, schlinge die Finger fest um die Lotosblume und beginne mich langsam aus seinem Zimmer und aus seinem Leben zu entfernen.
Wir sind am Scheideweg angelangt.
Am alles entscheidenden Punkt.
Es gibt kein Zurück.
Ab hier gehen wir getrennte Wege
Ich nehme das Beinahe- Gefühl seiner Hand auf meinem Arm wahr, als er mich zu sich zurückzieht und »Ja« sagt.
Ich sehe ihn an und habe keine Ahnung, wozu er »Ja« sagt.
»Die Fragen, die du vorhin gestellt hast, ob ich mich nicht fest binden, eine Familie gründen und meine eigene Familie wiedersehen will? Ja. Ja zu allem davon.«
Ich versuche zu schlucken, kann aber nicht, versuche zu sprechen, doch die Worte wollen einfach nicht kommen.
Seine Arme schlingen sich um mich und ziehen mich an ihn, ehe er das Fläschchen loslässt. Es fällt klirrend zu Boden, die grüne Flüssigkeit läuft heraus und rinnt über den Fußboden. »Aber vor allem Ja zu dir.«
DREIUNDVIERZIG
O bwohl er sich bereiterklärt hat, es zu tun, zögert er. Seine Hand zittert, und sein Blick ist so voller Kummer und Sorge, dass ich sage: »Schau mich an.«
Er holt tief Luft und tut, was ich sage.
»Lass dies den Beweis sein.«
Er legt den Kopf schief und kann mir nicht ganz folgen.
»Lass dieses Kostüm den Beweis dafür sein, dass
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