Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte

Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte

Titel: Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
Vom Netzwerk:
Patrice das Reden hatte übernehmen wollen. Eineinhalb Jahrhunderte lange Erfahrung darin, scheinbar logische Erklärungen für übernatürliche Ereignisse anzubieten, machten sich bezahlt. Überzeugend spielte Patrice das verängstigte junge Mädchen, das sich sicher war, Gangmitglieder aus der Stadt gesehen zu haben. Sie hätten etwas von einem Aufnahmeritual gefaselt, und es wäre wie in diesen E-Mails gewesen, die man manchmal bekam, in denen man erfuhr, dass Bandenmitglieder eine zufällig ausgewählte, unschuldige Person töten wollten, nicht wahr?
    Vielleicht schenkten die Polizisten dem letzten Teil der Geschichte keinen Glauben, aber sie nahmen Patrices Angst doch für bare Münze und waren – was noch viel wichtiger war – überzeugt, dass weder sie noch irgendeiner ihrer Freunde irgendetwas mit dem Ausbruch des Kampfes zu tun gehabt hatten. Die anderen Zeugenaussagen, unter anderem die von Skye, stützten diese Version der Geschichte. Als sie sich schließlich Lucas zuwandten, galt ihre einzige Frage seinem Kopf und ob man ihn zu einem Arzt schaffen solle.
    Es gelang ihm, die Fragen angemessen ruhig zu beantworten. Auch wenn ich wusste, dass die Gefahr keineswegs gebannt war, so hatte Lucas wenigstens für einen Moment seinen Blutdurst überwunden, den der Kampf neu entfacht hatte.
    Kaum war die Polizei wieder weg, war ich begierig darauf, mit Lucas zu sprechen und zu erfahren, wie es ihm ging. Doch jemand anderes hatte Gleiches im Sinn. Skye trat an seine Seite, glühend vor Aufregung und Erleichterung. »Ich muss dir einfach sagen, dass das fantastisch war«, sprudelte sie hervor. »Du hast mein Leben gerettet. Ganz ehrlich. Ich kann dir nicht genug danken.«
    »Bin nur froh, dass dir nichts passiert ist«, antwortete Lucas, und obwohl er, wie ich wusste, im Innersten aufgewühlt war, lächelte er Skye kurz an. Skye strahlte zurück, und ich stellte erschrocken fest, wie hübsch sie war: glatte, dunkle Haare, hellblaue Augen mit dicken Wimpern, makellose Haut, dünn, ohne ausgezehrt zu wirken …
    Mit einem Schlag war ich nicht mehr ganz so begeistert davon, dass Lucas sie gerettet hatte. Nicht, dass ich es vorgezogen hätte, wenn Skye gestorben wäre, aber sie war ein wunderschönes Mädchen, das vermutlich im Begriff war, sich bis über beide Ohren in meinen Freund zu verknallen. Und das war überhaupt nicht gut.
    »Glaubst du wirklich, dass das Bandenmitglieder gewesen sind?« Sie sah aus, als bezweifle sie diese Version der Geschichte. »Irgendwie sahen die viel zu alt dafür aus.«
    »Ich schätze, man ist nie zu alt für Dummheiten.« Lucas wich ihrem Blick aus.
    Skye legte Lucas eine Hand auf den Unterarm. Ich war kurz davor, sie zu hassen, als sie sagte: »Ich bin ganz erschüttert … Ich will meinen Freund zu Hause anrufen – aber bevor ich gehe, will ich mich noch mal bei dir bedanken. Ganz ehrlich.«
    Von einer Sekunde auf die nächste konnte ich Skye wieder viel besser leiden. Als Lucas ihr zum Abschied hinterherwinkte, murmelte ich ihm ins Ohr: »Es ist alles in Ordnung. Wir haben es geschafft, ohne dass du die Kontrolle verloren hast. Lucas, hast du gesehen, wie stark du bist?«
    »Ich muss allein sein.« Lucas stapfte von mir weg, und ich wäre ihm gerne gefolgt, entschied mich aber dagegen. Seine Mutter hatte ein weiteres Mal versucht, ihn zu töten; kein Wunder, dass er sich nicht darüber freuen konnte, einen kleinen Sieg über sich selbst errungen zu haben.
    Als ich ihm traurig nachsah, fiel mein Blick plötzlich auf jemand ganz anderen: Patrice saß allein auf einer kleinen Bank. Sie schien den Saum ihres blumengemusterten Rockes nach Rissen oder Löchern abzusuchen. Typisch! Sie hatte in einem Kampf alles gegeben und ihn überstanden, ohne ihre Frisur zu zerstören.
    Ich glitt an ihre Seite und sagte: »Danke für alles.«
    »Bianca.« Patrice hob den Kopf, und ihr Gesicht nahm den entrückten Ausdruck an, den die Leute bekamen, wenn sie mit mir sprachen, während ich unsichtbar war. »Du bist jetzt ein Geist?«
    »Scheint so.«
    Sie lehnte sich auf der Bank zurück, offenkundig, um es sich bequemer zu machen. »Verrat mir alles. Fang an, als ihr beide, Lucas und du, euch getrennt habt, wobei ich mal annehme, dass das gar nicht der Fall gewesen ist.«
    Mit Patrice hatte ich nie viele Geheimnisse geteilt, aber nachdem sie sich so für uns eingesetzt hatte, wusste ich, dass ich ihr vertrauen konnte. Und so erzählte ich ihr die ganze Geschichte so genau wie möglich, von den

Weitere Kostenlose Bücher