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Evil - Das Böse

Evil - Das Böse

Titel: Evil - Das Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Vernunft aus, könnte man vielleicht sagen.«
    Danach gingen sie durch die Winternacht zurück und feierten ihre erste wichtige Beobachtung bei Kranich zu Hause mit heißem Kakao. Es war nicht leicht zu verstehen, was Kranich in Stjärnsberg zu suchen hatte. Er hatte seinen Doktor gemacht und war Experte für bestimmte Veränderungen in den Fettsäuremolekülen, die bei der Entstehung des Lebens eine Rolle spielten.
    Pierre glaubte, dass irgendein Ärger an der Universität dahinter steckte, dass Kranich eine Dozentur in Lund angestrebt hatte, ihm aber ein anderer vorgezogen worden war, und dass eine Stelle als Studienrat mit gutem Gehalt in Stjärnsberg kein schlechter Ersatz war für einen, der sich noch dazu so für die Natur und vor allem Vögel interessierte. Stjärnsberg war fantastisch zwischen Seen und Wäldern gelegen. Wenn man dann noch Paarungsspiele unter Flattertieren zu seinen großen Interessen zählte …
    Erik fand die Sache trotzdem komisch. Denn Kranich war der netteste von allen Lehrern. Nie wurde er wütend. Und einmal, als es um Charles Darwin ging, hatte er eine antimilitaristische Rede gehalten, dass Menschen nicht wie Tiere seien und deshalb eigentlich - was er allerdings nicht offen aussprach - den Militärdienst verweigern müssten. Es war klar, dass Kranich das so sah. Und wenn er das so sah, und wenn er so scharfe Sinne hatte, dass er über mehrere Kilometer hinweg einen Sperlingskauz lokalisieren konnte, wie konnte er dann, wie alle anderen Lehrer auch, in Stjärnsberg herumlaufen und sich blind und taub stellen? Allein so eine Szene wie damals im Speisesaal, Kranich hatte doch wie alle anderen ab und zu Aufsicht am Tisch des Rektors. Irgendwann müsste man versuchen, ihm dazu eine Erklärung zu entlocken.
    Inzwischen waren fast zwei Monate des Frühjahrshalbjahres vergangen.
    Der Rat ließ Erik vollständig in Ruhe, keiner aus der Abiklasse bat ihn auch nur, ihm am Kiosk Zigaretten zu kaufen. Und Erik behandelte alle Ratis wie Luft, schaute durch sie hindurch und sprach keinen jemals an.
    Wenn das das Gleichgewicht des Schreckens war, dann funktionierte es ohne die geringste Störung seit fast zwei Monaten.
    Erik und Pierre hatten sogar aufgehört, sich über die Ursache zu streiten. Hatten die Ratis aufgegeben und Erik stillschweigend einen Freibrief erteilt, um sich Situationen zu ersparen, aus denen sie vielleicht keinen Ausweg wüssten?
    Das glaubte Pierre.
    Oder warteten sie nur auf den richtigen Moment, um wieder zuzuschlagen? Wenn sie lange genug Zeit gehabt hatten, um sich eine wirklich effektive Strafe auszudenken?
    Das glaubte Erik.
    Jedenfalls herrschte seit Schulbeginn Ruhe, und es gab keinen besonderen Grund, sich über die Ursache Gedanken zu machen. Man würde früh genug erfahren, wer Recht hatte.
    Erik hatte sein Schwimmtraining um eine morgendliche Runde erweitert. Er war in den Wintersportarten sowieso nur mittelmäßig, da konnte er sich auch gleich dem Krafttraining und dem Schwimmen widmen, obwohl immer klarer wurde, dass seine Technik im Becken sich zusehends verschlechterte. Dass seine Zeiten besser wurden, hatte mit der Technik nichts zu tun; es lag ganz einfach daran, dass er mehr Ausdauer hatte und anderthalb Minuten mit voller Kraft und im Höchsttempo durchs Wasser pflügen konnte. Für den Unterricht lernte er wie üblich im Arrest.
    Im März aber, als es manchmal schon von den Dächern tropfte, zerbrach das Gleichgewicht des Schreckens.
    Pierre hatte schon vor Wochen seinen letzten Samstagsonntag wegen Peppisverweigerung abgesessen, und sein Tischmajor, ein Ratsmitglied, hatte seither auch keinen Grund mehr gefunden, ihn zum Peppis zu rufen.
    Aber jetzt passierte es, und offensichtlich war es reine Schikane. Pierre weigerte sich und musste zu einem weiteren Samstagsonntag verdonnert werden.
    Am darauf folgenden Tag passierte dasselbe Arne und einem weiteren Peppisverweigerer unter demselben fadenscheinigen Vorwand, und auch sie weigerten sich wie üblich. Hinter dem Ganzen schien eine bestimmte Absicht zu stecken.
    Als Pierre von der Ratssitzung zurückkehrte, zu der er und die anderen Peppisverweigerer einbestellt worden waren, zeigte sich ganz deutlich, dass die Sache Methode hatte. Alle drei waren zu drei Samstagsonntagen auf einmal verurteilt worden. Dazu war ihnen gedroht worden, dass sie bei der nächsten Verweigerung im Karo landen würden. Silverhielm hatte sie daran erinnert, was dem Sozi passiert war, der nach dem letzten Halbjahr die Schule

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