Ewiges Blut - ein Vampirroman (German Edition)
wie Henry den Motor anließ, spürte ich meinen Körper nicht mehr. Sehen konnte ich schon lange nicht mehr. Krampfhaft versuchte ich, in einem Wachzustand auszuharren, denn wenn ich erst einmal einschlief und Henry später versuchte, mich zu wecken, war ich eine unkalkulierbare Gefahr für ihn.
»Ich bringe dich zu eurem Haus und bleibe selbst auch dort«, hörte ich Henry sagen.
»Besser in einem Raubtierkäfig mit gezähmten Raubkatzen, als in einem Irrenhaus mit gefährlichen Schwachköpfen.«
Er sagte noch einige Dinge, die ich nicht mehr mitbekam. Meine Augen brannten, und meine Haut spannte trocken über meinen Knochen. Dann schlief ich ein.
Mit bösen Vorahnungen machte sich William Ripley auf den Weg zu Clairley. Dieser hatte ihn versetzt, und das hatte sicher einen guten Grund. Clairley war ganz versessen darauf gewesen mit Ripley zusammen die Tagebuch-eintragungen seines Vaters auszuwerten. Und Ripley war das nur recht, denn selbst der kurze Blick, den Clairley ihm gestattet hatte, war sehr informativ gewesen. Die Bücher waren Gold wert. Was der alte Clairley wohl noch alles verborgen hatte? fragte sich Ripley, als er auf den Parkplatz des Hotels einbog.
Mit langen Schritten überquerte er den großen Platz und fragte den Portier in der Eingangshalle nach Jim Clairley.
Nein, der sei noch nicht zum Frühstück erschienen, habe sich allerdings auch noch keines bestellt, aber es sei ja auch noch sehr früh. Mit einem Augenzwinkern fügte er hinzu, vielleicht sei er aber auch noch sehr geschafft von seinem gestrigen Damenbesuch, übrigens eine wunderschöne Dame.
Ripley nickte ihm verwirrt zu und machte sich auf den Weg zum Lift, mit dem er nach oben fuhr.
Als er sicher war, daß niemand ihn beobachtete, hantierte er mit einem kleinen Werkzeug an Clairleys Zimmertür herum, bis diese mit einem leisen Knacken aufsprang. Schnell huschte er hinein und schloß die Tür hinter sich. Hatte Clairley vielleicht wirklich nur verschlafen?
»Clairley, wo sind Sie?« fragte er leise in den Raum hinein, bekam jedoch keine Antwort. Er machte noch zwei, drei Schritte, bis er schließlich auf das zerwühlte Bett schauen konnte. Dort lag Clairley, bleich, wie eine Wachsfigur. Die Hose halb geöffnet, einen überraschten Ausdruck auf dem Gesicht.
Ripley zog zischend den Atem durch die Zähne. Er trat näher an das Bett heran, vorsichtig, denn er wußte nicht, ob in diesem bleichen Körper noch Leben war. Fremdes Leben, das tödlich sein konnte. Mit einem raschen Blick sah er die blassen Male an Clairleys Hals – er war tot. Seine Augen starrte gebrochen zur beigen Decke des Hotelzimmers. Wütend schlug Ripley auf das kleine Nachtschränkchen, ein Reisewecker fiel hinunter.
»Den brauchst du jetzt auch nicht mehr«, fauchte er und durchsuchte die Schränke und schließlich Clairleys Koffer, doch er konnte die Tagebücher nicht mehr finden. Was war nur vorgefallen? Fest stand nur eines: Die Frau, die er mit auf sein Zimmer genommen hatte, war ein Vampir gewesen und – sie hatte jetzt die Tagebücher!
Zornig setzte Ripley sich auf einen zierlichen Stuhl und massierte seine Schläfen. Was sollte er jetzt mit Clairleys Leiche machen? Wie sollte er die Bücher wiederbeschaffen?
Da fiel ihm ein Name ein, den er aufgeschnappt hatte, als er den ersten Blick in die Tagebücher werfen durfte: Henry Berkeley, London.
Abrupt stand er auf, und ein häßliches Grinsen umspielte seinen harten Mund. Den würde er aufsuchen und so weichklopfen, daß dieser betteln würde, um mit ihnen zusammenarbeiten zu dürfen. Mit grimmiger Miene verließ er das Hotelzimmer und meldete einen Notfall in Zimmer 243. Wahrscheinlich ein Herzinfarkt. Er spielte seine Rolle perfekt und äußerte die Vermutung, die »Dame«, die der Portier gesehen hatte, könnte etwas mit dem frühen Ableben seines Freundes zu tun haben. Brav hinterließ er seinen Namen und seine Adresse in NY und verschwand im langsam entstehenden Aufruhr.
Auf dem Weg versuchte er über Autotelefon die Zentrale der Organisation zu erreichen – und hatte Glück. Er sagte das für diesen Tag verabredete Codewort und bekam eine Verbindung.
Eine Weile mußte er am Telefon bleiben, bis seine Identität geprüft war, dann bekam er die gewünschte Information: die Adresse von Henry Berkeley.
Hier in London funktionierte das Netz einwandfrei – kein Vergleich zu New York. In Windeseile fädelte er sich in den – für ihn komplizierten – Linksverkehr ein und machte
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