Ex
verschwanden, so daß er nie einen greifbaren Beweis für ihre Existenz liefern konnte, obwohl andere Leute sie gesehen und auch berührt hatten. Deshalb kam einer der Wissenschaftler, die die Sache überprüfen wollten, auf die Idee, diese Geister zu fragen, ob sie so freundlich wären, ihre Hände in eine Schüssel mit Paraffinwachs zu tauchen. So würden nach ihrem Verschwinden die Wachsabdrücke erhalten bleiben. Die Geister erklärten sich gern dazu bereit, und von da an blieben am Ende jeder Séance die leeren Wachshüllen auf dem Boden zurück. Die Wissenschaftler mußten sie nun nur noch mit Gips ausgießen, um eine perfekte Nachbildung zu bekommen von… na ja, von dem, was sich eben in diesem Raum aufgehalten hatte.«
Joanna starrte ihn an. »Das hast du dir doch aus den Fingern gesogen.«
Mit seiner inzwischen vom Wachs befreiten Hand machte er eine unbestimmte Geste. »Im Institut Metapsychique in Paris gibt es eine Reihe von Gipsformen, die ›Phantomhände‹ genannt werden und angeblich so zustande gekommen sind, wie ich es gerade beschrieben habe.«
»Ich möchte Rogers Gesicht sehen, wenn er das hört.«
Sam lachte. »Ich möchte lieber sehen, wie ihm so ein Phantom einen Wachsabdruck in den Schoß fallen läßt und ihn fragt, wie er das bitte schön erklären will.«
»Weißt du«, meinte Joanna nachdenklich, »du hattest wirklich recht, darauf zu beharren, daß Roger an der Gruppe teilnimmt. Wie du schon sagtest: Wenn er sich überzeugen läßt, werden es die Skeptiker schwer haben, diesen Forschungszweig zu ignorieren.«
»Glaub mir, sie werden es trotzdem weiterhin versuchen.«
»Wie auch immer, wenn er mir erlaubt, ihn namentlich zu erwähnen, möchte ich mit ihm ein persönliches Interview machen – eins, bevor wir anfangen, und eins danach, falls irgendwas dabei herausgekommen ist.«
»Nimm dich in acht – deinen Interviewpraktiken haben wir es zu verdanken, daß wir heute per du sind.«
»Was soll das denn heißen? Bist du etwa eifersüchtig auf einen alten Professor?«
»Auf diesen alten Professor schon. Er war viermal verheiratet, und ich traue ihm zu, daß er es noch ein paarmal probiert, bevor es ihm endgültig reicht.«
»Viermal?«
»Er ist Wissenschaftler – Wiederholbarkeit ist ein wesentliches Kriterium für jedes gute Experiment.«
»Ich glaube, du hast mich gerade von einer gefährlichen Schwärmerei geheilt.«
»Freut mich zu hören.« Er zog sie an sich und küßte sie.
»Meinst du, die anderen wissen davon?« fragte sie flüsternd.
»Welche anderen wissen wovon?«
»Die anderen in der Gruppe. Von uns beiden.«
Er zuckte die Achseln. »Ich denke, sie wissen es mit ziemlicher Sicherheit. Außerdem ist es doch kein Geheimnis, oder?«
»Nein.« Sie ließ ihre Hand durch sein kräftiges Haar gleiten und zog ihn zu sich heran, so daß ihre Lippen sich erneut berührten. »Ganz und gar nicht.«
Die Erfindung des Geistes erwies sich als ein langwieriger Prozeß mit unerwarteten Hindernissen. Unter Sams Anleitung gingen sie so logisch wie möglich an das Unternehmen heran. Zunächst galt es zu klären, ob es sich um einen männlichen oder einen weiblichen Geist handeln sollte. Roger meinte, die schnellste und gerechteste Lösung wäre es, eine Münze zu werfen. Nachdem alle zugestimmt hatten, schnippte Roger eine Vierteldollarmünze in die Luft. Der Geist war männlich.
Als zweites stellte sich die Frage, in welcher Zeit ihr Geist gelebt haben sollte. Jeder wartete darauf, daß einer der anderen einen Vorschlag machte, bis Sam sagte, alle sollten der Reihe nach ihre Meinung kundtun, angefangen bei Maggie zu seiner Linken. Etwas schüchtern erklärte sie, sie habe nicht viel Ahnung von Geschichte und wolle sich deshalb gern einer anderen Meinung anschließen, wenn jemand besser Bescheid wüßte, aber sie würde Schottland um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts vorschlagen, zur Zeit des Jakobitenaufstands. Einen kurzen Moment lang trat Schweigen ein, alle überlegten, ob sie gleich dazu Stellung nehmen oder erst die übrigen Vorschläge anhören sollten. Sam regte an, erst die Runde mit den Vorschlägen zu Ende zu bringen und dann einen weiteren Durchgang für die Kommentare zu machen.
Riley entschied sich für die okkultistische Periode im alten Ägypten, Drew für das Florenz der Renaissance. Barry plädierte für den amerikanischen Bürgerkrieg, Joanna für die französische Kaiserzeit unter Napoleon. Roger meinte, er sei mit jeder europäischen Epoche im
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