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Ex

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Titel: Ex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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wohnen, wie es ihre Mutter in ihrer Kindheit tagtäglich nach einer langen U-Bahn-Fahrt hatte schrubben und putzen müssen. Ein Triumph, mit dem Ellie der Vergangenheit ein paar Geister austreiben würde – die einzigen Geister, an die sie glaubte.
    Bei diesem Gedanken spielte ein leises Lächeln um ihre Lippen, das jedoch gleich wieder erstarb. Ihr drängte sich der Gedanke auf, wie schön es gewesen wäre, das alles schon vor dreißig Jahren gehabt zu haben.
    Doch besser, viel besser jetzt als nie.
     
    In einer der hinteren Sitzreihen fand Joanna Cross einen vorteilhaften Seitenplatz. Von hier aus konnte sie alles gut überblicken, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Schlimm genug, daß sie jünger war als die meisten Menschen, die sich hierher und an ähnliche Orte locken ließen. Selbst die Angestellten waren vorwiegend in mittleren Jahren und älter, abgesehen von ein paar Bühnenhelfern, die aber mit dem Publikum kaum in Berührung kamen.
    Zwar gab es auch ein Trancemedium, das nicht älter als dreißig sein konnte, aber dieser Mann war die große Ausnahme. Und er war sehr begabt. Bei seinen Séancen schwebte eine leuchtende Zinntrompete durch die Dunkelheit, aus der Geisterstimmen ertönten. Ab und zu versprühte sein Körper ektoplasmische Wolken, die dann die Gestalt der lieben verblichenen Angehörigen der Zuschauer annahmen, während funkelnde Lichtpunkte die Köpfe der Anwesenden umtanzten. Daß es sich hierbei nur um einen gigantischen Zaubertrick handelte, war Joanna klar. Sie wunderte sich nur, warum die anderen Leute nicht sehen konnten, was sie nicht sehen wollten, und so bereitwillig an das glaubten, was sie glauben wollten. Oder glauben mußten.
    Eben das ärgerte Joanna. Einerseits war es nur eine dumme, aber harmlose Show. Andererseits jedoch war es eine gnadenlose Ausbeutung von Menschen, die einen tragischen Verlust erlitten hatten und Hilfe brauchten. Statt dessen wurden sie für dumm verkauft und von zynischen Halsabschneidern auf eine Odyssee geschickt, die sie am Ende meist ohne einen Penny dastehen ließ. Deshalb wollte Joanna Ellie und Murray Ray dahin bringen, wohin sie gehörten: hinter Gitter. Zumindest aber wollte sie die beiden enttarnen und ruinieren, als Warnung für Leute ihres Schlages.
    Und von diesen gab es nicht wenige. Seit Joanna im Auftrag ihrer Zeitschrift mit den Recherchen für diesen Artikel begonnen hatte, staunte sie immer wieder über das Ausmaß der Esoterik-Industrie. Angefangen bei kleinen Hellsehern und Handlesern bis hin zu glänzend organisierten Camps wie diesem, handelte es sich um eine Branche, in der jährlich Millionen, wenn nicht gar Milliarden von Dollars umgesetzt wurden – meist in bar. Auch der Rest blieb größtenteils steuerfrei, dank einer wohlmeinenden, aber fehlgeleiteten Gesetzgebung, die es jedem x-beliebigen Betrüger erlaubte, als Gründer einer Kirche Gemeinnützigkeit geltend zu machen. Das war sicherlich auch der Grund, warum der Saal, in dem Joanna gerade saß, auf dem Plan des Starburst-Camp als »Kathedrale« eingetragen war.
    Ihr Blick schweifte zuerst zum einen, dann zum anderen der Glas- und Spiegelgebilde an den Wänden links und rechts der Bühne. In ihrer geschmacklosen Häßlichkeit stellten sie offensichtlich das Starburst-Motiv dar, einen zerplatzenden Stern. Und hinter einer dieser Wände, das wußte Joanna, saß Ellie Ray. Von dort aus konnte sie hinausschauen und den Verlauf der Sitzung lenken.
    Joanna sah auf die Uhr. Es würde bald losgehen. Und mit etwas Glück war es, zumindest wenn es nach ihr ging, die letzte Séance, die hier abgehalten wurde.
     
    Die schwimmenden Fische und dahintreibenden Seeanemonen verschwanden von Ellies Computerbildschirm, als sie eine Taste anschlug. Sie rief die Datei auf, die sie im Laufe des Tages zusammengestellt hatte, kaum daß die Liste der Teilnehmer auf ihrem Tisch lag. Viele waren zum ersten oder zweiten Mal hier, sie hatten von Freunden von diesem Camp gehört. Wenn man richtig mit ihnen umging, würden die meisten etliche Male wiederkommen, und einige versprachen einen guten Profit. Letztere galt es herauszufiltern, um mit ihnen in den nächsten ein, zwei Tagen Einzelsitzungen mit einem Schlüsselmedium abzuhalten.
    Ellie überflog die Informationen auf dem Bildschirm. Alles war erfaßt, jedes notwendige Detail, präzise und geordnet – und alles war zur Sicherheit als Kopie in den Karteikästen aufbewahrt. Natürlich mußte sie den etwa hundertfünfzig Gesichtern dort draußen

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