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Exit Mosel

Exit Mosel

Titel: Exit Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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mich nicht erinnern. Sie hatte ganz schöne Oschis.«
    »Aha, es war also eine Frau.«
    »Jo.«
    »Wie groß war sie?« Grabbe wurde ungeduldig.
    »Also wisst Ihr, es war schon spät und ich hatte ein bisschen was intus.« Er drehte ein Hähnchen auf und ließ eine rötlichbraune Flüssigkeit in einen kleinen Glashumpen laufen. Den winzigen Henkel konnte er kaum zwischen seinen schmutzigen Wurstfingern halten. »Das ist der zweite Brand, wollen Sie mal probieren?«
    Grabbe lehnte ab, worauf der Mann das Glas in einem Zug austrank. Er schüttelte sich. »Wirklich lecker.«
    »Wie groß war die Frau?«, versuchte es Grabbe wieder. Hatte er nicht mal gehört, dass solche Destillen in die Luft fliegen konnten?
    »Genau richtig.«
    »Ist Ihnen sonst was an ihr aufgefallen?« Grabbe wusste, dass aus dem Typen nichts herauszuholen war.
    »Die hatte ziemlich große …« Er deutete mit einer Handbewegung vor seiner Brust an, was er meinte. »Ich hab’ ihr gesagt, dass sie auch bei mir hätte übernachten können.« Er drückte ein Auge zu. »Aber ich glaube, ich war zu voll für sie. Einen Schnaps hat sie sich aber von mir ausgeben lassen.«
    Waschen, frische Wäsche, ein Haarschnitt und fünfzig Kilo abnehmen wäre wahrscheinlich auch hilfreich gewesen, dachte Grabbe. Er wollte nur noch weg von hier.
    »Und um welche Zeit war das?«
    »Ich hab’ nicht auf die Uhr geguckt.«
    *
    Am Büffet der Krankenhauscafeteria kamen Walde und Gabi hinter dem Gerichtsmediziner ins Stocken. Während sich Dr. Hoffmann von einer in eine dunkle, lange Schürze gehüllten Servicekraft einen Teller Linseneintopf mit Würstchen schöpfen ließ, schaute Walde sich in dem hellen Raum um. An einem der langen Tische saß eine Gruppe Männer, bei denen es sich weder um Personal noch um Patienten zu handeln schien. Manche hatten ihre nicht gerade modisch wirkenden Anoraks anbehalten. Einer trug eine dunkle Kapuze über dem Kopf, aus der die weißen Schnüre von Ohrhörern quollen.
    »Deren Küche hat noch nicht geöffnet«, kommentierte Gabi seinen Blick.
    »Welche Küche?«
    »Nebenan, die Sozialküche«, sagte sie.
    Sie war erleichtert, sich mit Dr. Hoffmann hier treffen zu können. So blieb ihr erspart, was sie unweigerlich in der Gerichtsmedizin erwartet hätte. Alles, vom Anblick bis zum Geruch des Toten.
    »Mensch, das wollte ich nicht alles klein schnippeln müssen.« Hoffmann wies auf die beleuchteten Behälter mit Salaten und Gemüse, während er sein Tablett in Richtung Kasse schob. »Schon als Kind habe ich allerdings gerne meiner Mutter beim Kochen geholfen, ganz freiwillig.«
    »Bei mir war von freiwillig keine Rede«, sagte Gabi. »Meine Brüder mussten höchstens mal den Abwasch machen.«
    »Welche Brüder?«, fragte der Doktor.
    »Meine kleinen Machobrüder. Als Mädchen war ich dazu verdonnert, Kartoffeln und Möhren schälen zu müssen, während die Muttersöhnchen draußen Fußball spielen durften.«
    »Meiner Mutter waren meine Kartoffelschalen zu dick«, sagte Hoffmann. »Ich hab’ mich ums Fleisch kümmern dürfen. Da hatte meine Mutter ein Problem mit. Für meinen Vater war Fleisch ein unabdingbarer Bestandteil der Hauptmahlzeit. Ich hab’ dann mit Hingabe Fleisch geputzt, Sehnen abgeschnitten, jedes noch so kleine Fitzelchen Fett entfernt, das wurde bei mir zu einer richtigen Leidenschaft.« Er schaute mit verklärtem Blick aus dem Fenster und schien den Rettungshubschrauber nicht zu bemerken, der mit Getöse in Richtung des Ungetüms von Landeturm einschwebte. »Sogar Markklößchen habe ich zubereitet, mit Knochen aufbrechen und allem Drum und Dran. Oder Leber, die konnte meine Mutter kaum in die Hand nehmen. Das hat mir gefallen, damit zu hantieren. Oder Geflügel und Fisch ausnehmen. Früher kaufte man das ja noch frisch. Das fand ich total spannend.« Hoffmann schien sich an seiner eigenen Erzählung zu begeistern und versäumte, die Lücke zu den vor ihm abgefertigten Kunden an der Kasse zu schließen.
    »Dann war ja dein Berufsweg vorgezeichnet«, stellte Gabi fest. »Metzger oder Chirurg.«
    Als sie an einem Tisch Platz genommen hatten, fuhr Hoffmann fort. »Es gibt da ein klitzekleines Problem. Ich habe bis heute nur an totem Fleisch Gefallen.« Er bemerkte die nachdenklichen Blicke. »Nicht, dass ich nekrophile Obsessionen hege, nein, ich kann nur nicht an lebenden Wesen schneiden, dafür habe ich zu viel Empathie.«
    »Aber die Leute auf dem OP-Tisch sind doch unter Narkose oder wenigstens örtlich betäubt und

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