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Export A

Export A

Titel: Export A Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kränzler
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und befreie eine jungfräuliche Flasche Rum aus ihrem Kofferversteck. Auf Zehenspitzen schleiche ich mich ins Badezimmer.
    Im Bad ist es warm. Es riecht nach Monas Haarspray. Der Moschus duft ihres Parfums mischt sich mit dem scharfen Geruch von Humphreys Rasierwasser. Neben dem Waschbecken liegt ein bunter, glitzern der Haufen aus Kims Haarspangen und Freundschaftsbändchen.
    Ich setze mich im Schneidersitz auf den dicken, ockergelben Läufer und lehne mich gegen den Heizkörper. Da ich kein Glas mitgebracht habe, spüle ich kurzerhand den Zahnputzbecher aus. Ich schenke mir eine besonders böse Mischung ein und schlucke nach Leibeskräften. Nach der zweiten Runde raffe ich mich auf und steige, meinem Spiegelbild ausweichend, in die Dusche.
    Brennend heiß bestrahle ich den Erinnerungstumor in meinem Kopf. Stelle mir vor, wie ich jede einzelne verkrebste Gedankenzelle pulverisiere, liquidiere, eliminiere und meine Schultern von dieser Last befreie.
    Überall diese Reste. Seine Reste, meine Reste. Wie kriege ich das ab? Wie wäscht man das aus? Wie, wie nur?
    Ich verbringe die Nacht im Bad. Rolle mich auf dem gelben Fleck zusammen. Über mir vermengen sich Wasserdampf und vertraute Gerüche. Der Spiegel sieht mich nicht mehr. Gut.
    Ich will nicht schlafen. Will nur hier liegen. Liegen und trinken und warten, bis es Tag wird.
    Langsam nähert sich der Flascheninhalt dem Boden. Das Glas zu treffen, fällt mir zunehmend schwer.
    Um 4.20 Uhr übergebe ich mich in das Waschbecken aus Marmor­imitat.
    Ich wage einen Blick in den Spiegel. Vier Streifen schraffieren mich unterhalb der Brust, beschreiben einen spitz zulaufenden Bogen bis zur Taille.
    Rippen, denke ich und übergebe mich ein weiteres Mal.
    Erschöpft rutsche ich auf meinen Platz an der Heizung zurück und setze die Kopfhörer auf. Zum dritten Mal in dieser Nacht spielen die Deftones ihr »White Pony«-Album. Noch ein letzter Song.
    In 4.01 Minuten muss ich das Badezimmer räumen. Humphrey hat heute Frühschicht. Ich drücke die Play-Taste und nicke mit dem Kopf zu folgenden Lyrics:
    »When you’re ripe you’ll bleed out of control you’ll bleed out of control when you’re ripe you’ll bleed out of control you’ll bleed out of control when you’re ripe you’ll bleed out of control you’ll bleed out of control when you’re ripe you’ll bleed out of control you’ll bleed out of control
    you like attention it proves to you you’re alive stop parading your angles you’ll know when you’re ripe
    you’re pregnant with all this space thick with honey but I’ve lost my taste
    when you’re ripe you’ll bleed out of control you’ll bleed out of control when you’re ripe you’ll bleed out of control you’ll bleed out of control when you’re ripe you’ll bleed out of control you’ll bleed out of control
    you’re pregnant with all this space thick with honey but I’ve lost my taste
    when you’re ripe you’ll bleed out of control you’ll bleed out of control when you’re ripe you’ll bleed out of control you’ll bleed out of control.«

37.
    Eine alte, abgegriffene Straßenkarte. Vor über zehn Jahren ungeduldig falsch zusammengefaltet. Ein Kuddelmuddel aus Flüssen, Seen und Wald.
    Die Bildausschnitte, die das Yukon Territory stark vereinfacht und aus Tausenden Metern Höhe zeigen, verbleichen. Grüne und blaue Flächen werden weißlich, Weißliches wird löchrig.
    Behutsam entfalte ich die Karte. Zwinge mich, sie langsam und sorgfältig auszubreiten. Mir fehlt die Ruhe. Es entstehen neue Risse.
    Dann liegt es vor mir, das weite Land, und ich beuge mich über die Filzstiftmarkierungen.
    Sieben schwarze, X -förmige Kreuze:
    Zwei dicht beieinanderliegende Xe in der Fir Street. Ein X auf der Nordseite der fast sechs Kilometer langen Centennial Street. Auch die Maple Street, der Beginn der Prospector Road und das weit außerhalb der Stadt gelegene Mendenhall sind markiert.
    Zwischen dem »Super A«-Supermarkt und dem südlichen Ende der Centennial sitzt ein schwarzer, unregelmäßig geformter Klecks, bei genauem Hinsehen ein nachträglich übermaltes X –
    Nicht an den Fleck denken. Jetzt nicht.
    Ich konzentriere mich auf das Kreuz in der Maple Street. Von hier aus zieht eine krakelige, verschmierte Linie nach Nordwesten, passiert Crestview und Forestview und knickt nach rechts in den Klondike Highway ab. Mein Finger legt sich auf das Papier und folgt der Tintenspur. Am Foxlake und den Twinlakes entlang bis nach Carmacks, einem 391 Seelen

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