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Extra scha(r)f

Extra scha(r)f

Titel: Extra scha(r)f Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Beaumont
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ausgegangen, einen völlig untrainierten Haufen vor mir zu haben, aber nun, da sich alle bewegen, stelle ich fest, dass ein paar der Frauen eine recht gute Figur machen. Die eine in Schwarz in der vordersten Reihe könnte gut Nordwesteuropa-Meisterin in Aerobic sein. Sie beherrscht sogar die richtige Atemtechnik - Fischmaul machen, einatmen und wieder ausatmen.
    M ist. Ich muss mehr sagen. Richtige Trainer brüllen doch gepfefferte Motivationssprüche im Viervierteltakt, nicht? »Schön gleichmäßig atmen«, rufe ich. Dann sehe ich rein zufällig Lynn ohne String an und sage: »Bauch einziehen.«
    »Der ist doch schon eingezogen«, ruft sie zurück, woraufhin wieder allgemeines Gelächter erschallt, meines inbegriffen. Scheiße. Jetzt bin ich wieder aus dem Takt geraten. Muss ihn rasch wieder finden. Kurz verharren, lauschen ... weitermachen. Die Nordwesteuropa-Meisterin hat meinen Fauxpas erneut bemerkt und sieht mich etwas von der Seite an. Ich bin schon wieder paranoid. Sie steht seitlich von mir, wie soll sie mich sonst ansehen?
    Wie lange treten wir eigentlich schon auf der Stelle? Offenbar hat bereits das nächste Stück auf der CD angefangen, ohne dass ich den Übergang registriert habe. Fat Joe und Ashanti fragen uns »What‘s Love got to do with it«, und ich finde den Rhythmus verdammt langsam. Ich marschiere nämlich immer noch im Takt zu »Cha Cha Slide«. Manche der Damen folgen meinem Takt, andere dem von Ashanti. Es sieht aus, als würde ich zwei unterschiedliche Kurse leiten. Ich muss irgendwie dafür sorgen, dass wir rhythmisch wieder zueinander finden, aber, oh Mann, die Musik ist zum E-in-sc-hl-af-en. Außerdem warten die Damen auf Anweisungen von mir, nicht?
    »Fantastisch, meine Damen, weiter so«, brülle ich, und mein Gebrüll wird sofort von der Rückkopplung übertönt. Das Lächeln verschwindet aus den Gesichtern, und einige der Damen halten sich theatralisch die Ohren zu - statt wie beispielsweise ich höflich darüber hinwegzugehen, dass gerade das Trommelfell geplatzt ist.
    Hinter der Glasscheibe amüsieren sich Daniel, Ruby und das restliche Publikum, das immer größer wird, hinter vorgehaltener Hand. Keine Zeit, mich darüber zu ärgern, da Fat Joe und Ashanti jetzt leiser werden und das nächste Stück bereits beginnt, was bedeutet, dass wir nun schon geschlagene acht Minuten auf der Stelle treten. Jetzt läuft »Toxic« von Britney, und - wer hätte das geahnt? - es ist der verfluchte Remix mit einer Million Beats pro Minute.
    Ich mustere kurz mein Spiegelbild. Oh Mann, ich schwitze vielleicht. Der Schweiß läuft mir am ganzen Körper herunter, sodass ich förmlich darin bade. Gott allein weiß, wie das meiner Haarverlängerung bekommt, aber ich schätze, das ist noch mein geringstes Problem. Von den Damen ist noch keine ins Schwitzen geraten, aber sie sind auch nicht so gestresst beziehungsweise am Rande eines Nervenzusammenbruchs wie ich, weil ich keine verdammte Ahnung von dem habe, was ich hier gerade mache. Welcher Idiot hat eigentlich behauptet, das sei ein Kinderspiel? Es ist der schlimmste Albtraum aller Zeiten.
    Meine Damen marschieren noch immer und versuchen, mit Britney Takt zu halten. Ich höre, wie Schenkel aneinander reiben, und ich nehme einen verbrannten Geruch wahr. Es wird nicht lange dauern, und meine Damen werden kollabieren. Ich muss etwas dagegen tun. Und zwar schnell.
    Aber was? Zum nächsten Stück wechseln? Was für einen Eindruck macht denn das? (Als hätte ich die letzten zehn Minuten einen professionellen Einruck gemacht.) Ich werde wohl mit Britney vorlieb nehmen müssen, als würde sie zu meinem Programm gehören.
    »Mehr Action, bitte«, brüllt eine genervte Stimme von hinten.
    »Wir schlafen sonst noch ein«, pflichtet eine andere Stimme bei, und Gekicher wandert durch den Saal wie eine La-Ola-Welle.
    »Okay, wir versuchen mal einen Grapevine«, rufe ich über die Musik hinweg, wobei es erneut eine Rückkopplung gibt.
    Wenig später tanzen wir alle den Grapevine. Was im Prinzip ganz gut klappt ... und auch wieder nicht, weil ich vergessen habe zu sagen, ob wir mit links oder rechts beginnen. So bewegt sich jede in eine andere Richtung, und es kommt zu Zusammenstößen wie beim Autoscooter auf der Kirmes. Scheiße, das totale Chaos.
    »Okay, okay ... Bitte alle mal aufhören ... Ich sagte AUFHÖREN ... Wir fangen noch einmal von vorne an. Wir beginnen mit dem rechten Fuß ... Auf den Einsatz des Schlagzeugs warten ... gleich ist es so weit ...

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