Fahrt zur Hölle
und erforderte viel Geduld. Dafür meldete sich Hürlimann direkt.
»Lüders. Deutsche Polizei.«
»Herr Lüders.« Der Schweizer klang nicht überrascht. »Ich vermute, dass es Ihnen gut geht und Sie alles wohlbehalten überstanden haben.«
»Habe ich das Ihnen zu verdanken?«
»Mir?« Es klang ein wenig empört. »Ich bitte Sie. Das hätte ich einfacher haben können. Mogadischu würde dafür eine wesentlich bessere Kulisse bieten. Ich habe Ihnen mein Geschäftsmodell erklärt. Ich bin gegen Gewalt. Meine Waffe sind Verbindungen und Diplomatie.«
»Und Ihre Verbindungen zur puntländischen autonomen Regierung haben Sie genutzt, um mich aus dem Verkehr zu ziehen?«
»Warum hätte ich Sie deshalb nach Garoowe schicken sollen? Natürlich habe ich Kontakt dorthin.«
»Sie haben mich sofort erkannt, obwohl ich bei Ihnen als Journalist Wolfram vorstellig geworden bin.«
Es erklang ein spöttisches Lachen. »Es gehört zu den Spielregeln, auf den anderen einzugehen und ihm seinen Glauben zu lassen. Warum hätte ich Sie hier in Mogadischu demaskieren sollen? Ich habe Sie allerdings gewarnt. Somalia ist gefährlich. Und Puntland noch viel mehr. Es hat nicht jedem gefallen, was Sie in Kenia und hier in Somalia angestellt haben. Darf ich Ihnen ein Kompliment machen? Sie sind nicht nur sehr weit vorgedrungen in einer Ihnen fremden Welt, sondern haben auch für verdammt viel Unruhe gesorgt.«
»Wer hat Sie über meine Identität in Kenntnis gesetzt?«
»Sagen wir mal – ein Schutzengel. Jemand, der mir vertraut und ich ihm. Nur so funktioniert vieles, was nicht gehen würde, wenn man darüber spräche. Davon leben Diplomaten, dass sie verschwiegen sind. Sonst könnte ich gleich hier in Mogadischu einpacken.«
»Und Sie haben dieses Vertrauensverhältnis ausgenutzt, um mich an die Piraten zu verkaufen? An Innenminister Shiikh?«
Hürlimanns Stimme klang ernst. »Ich wusste, dass Shiikh Ihren wahren Auftrag kannte. Aber nicht von mir. Der hat andere Quellen. Darauf haben Sie mein Wort.«
»John Kiambi hat mich bei Ihnen avisiert«, sagte Lüder.
»Ja«, gab Hürlimann zu. »Ich muss unparteiisch und für alle Seiten offen bleiben. Aber im Vertrauen: Kiambi leistet unter schwierigsten Bedingungen eine hervorragende Arbeit und steht zu seiner Meinung. Das ist in Kenia nicht einfach. Und auch gefährlich.«
Lüder hatte noch ein andere Idee.
»Mein Schutzengel, wie Sie ihn nannten. Ist der in der deutschen Botschaft tätig?«
»Hmh« war alles, was Hürlimann erwiderte.
Also gab es eine stille Verbindung zwischen Sebastian Herzog, dem agilen Diplomaten aus Nairobi, und Hürlimann. Natürlich hatte Herzog darüber nicht reden können. Der Schweizer war sein Kontakt in Somalia, der nicht erwähnt oder gar bekannt werden konnte. Und weil Herzog, dessen Besorgnis um Lüder echt war, ihm einen relativen Schutz bereitstellen wollte, hatte er sich an Hürlimann gewandt. Das also war der »Schutzengel«.
»Wer ist Abu Talha?«, fragte Lüder.
Der Schweizer schien überrascht, und er wiederholte den Namen gedehnt, um Zeit zu gewinnen, nach einer geeigneten Antwort zu suchen.
»Was wissen Sie von ihm?«, entschied sich Hürlimann für eine Gegenfrage.
»Er ist nicht tot.«
Es entstand eine längere Pause.
»Nein. Das würde ja heißen, ein ganzes Volk ist ausgestorben«, versuchte der Schweizer auszuweichen.
»Abu Talha ist nicht der Terrorist, der unter diesem Namen bekannt geworden ist, sondern dahinter verbirgt sich ein anderer. Wer?«
»Abu Talha – der Deutsche«, übersetzte Hürlimann.
»Ich weiß.«
»Das sind zweiundachtzig Millionen. Ich sagte schon, wäre Abu Talha tot, wäre ein Volk ausgestorben.«
»Hürlimann. Verarschen Sie mich nicht«, wurde Lüder grob. »Ich meine den Drahtzieher. Wer ist das?«
»Mir gefällt eine andere Wortwahl besser«, sagte Hürlimann, und es klang pikiert. »Ich weiß es nicht. Und wenn ich ihn kennen würde, würde ich es nicht verraten. Aber gehört habe ich von ihm. Übrigens – tue Gutes und rede darüber. Gleich nachdem ich die Nachricht erhielt, dass man Sie entführt hat, habe ich Sebastian Herzog informiert. Der hat in Berlin interveniert.«
»Beim Auswärtigen Amt?«
»Das nehme ich an. Das war letztlich erfolgreich. Schließlich hat man dort Ihre Befreiungsaktion initiiert.«
Lüder unterließ es, das zu kommentieren. Es war erstaunlich, wie viele Leute sich für seine Befreiung eingesetzt hatten. Angeblich. Oder war es doch so? Hatte man in Berlin
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