Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 2 - Die Goetter von Amyrantha
Gesandtschaft in Ramahn erwies sich als weit weniger beklemmend, als Arkady erwartet hatte. Es war auch erheblich weitläufiger als die paar Zimmerchen, die sie befürchtet hatte. Das Frauenquartier nahm fast den ganzen Nordflügel der Gesandtschaft ein und umfasste ein Stück Garten mit Rasenflächen sowie Wasserspielen, eine besonders extravagante Überraschung im heißen und trockenen Klima Ramahns.
Die Gesandtschaft residierte in einem höchst eindrucksvollen Gebäude, selbst wenn man den üppigen Reichtum von Lebec gewöhnt war. Zwei Stockwerke hoch und mit einem Flachdach ausgestattet, bedeckte der Bau die Grundfläche eines ganzen Häuserblocks und war im Grunde ein Palast für sich. Die Fassade war wie auch die Innenwände mit Millionen winziger Keramikfliesen verziert, die geometrische Muster bildeten. Manche fügten sich auch zu großen Wandbildern, die allerlei Fantasiegestalten zeigten - und in vielen davon erkannte Arkady Motive aus dem Tarot der Gezeiten.
Die Gesandtschaft unterhielt auch eigene Stallungen mit den kostbarsten Pferden (von den Kosten des Unterhalts gar nicht zu reden), fast so eindrucksvoll wie die kaiserlichen Rennställe. Die Torlener waren ganz verrückt nach Pferderennen, wie sie bald herausfand. Ein Mann von Format, so erwartete man es hier, musste eigens zu diesem Zwecke eine Anzahl reinrassiger Vollblüter halten. Zusammen mit dem riesigen Gesandtschaftspalast übernahmen sie nun auch die glaebischen Rennställe, und Stellan erhielt bereits tagtäglich höfliche Herausforderungen, seine Pferde gegen die anderer edler Häuser der Hauptstadt antreten zu lassen.
Es lebten noch andere Ehefrauen im Serail, aber keine davon schien Arkady die Art Frau zu sein, mit der sie eine Freundschaft eingehen könnte. Die einen sahen insgeheim auf ihre niedere Herkunft herab, die anderen zerrissen sich die Mäuler und nahmen Anstoß an ihrer allgemein bekannten Unabhängigkeit. Sie führten ihr eigenes Leben und hatten ihre eigenen Belange, und keine von ihnen war sonderlich begierig darauf, einen Neuankömmling in ihrer Mitte zu begrüßen. Arkady störte das wenig - in erster Linie, weil keine von ihnen in der Lage schien, ein intelligentes Gespräch zu führen.
Das Personal des Palastes zählte über hundert Köpfe. Es bestand aus torlenischen und glaebischen Crasii sowie einer Reihe menschlicher Diener. Bevor sie Glaeba verließen, hatte Declan Hawkes, Erster Spion des Königs, Arkady und Stellan mit einer langen Liste ausgestattet, die alle mutmaßlichen und überführten Spione in ihrer großen Dienerschaft aufführte. Da gab es nicht etwa nur torlenische Spitzel, nein, sie spionierten für Caelum, Senestra, Tenatien, das vereinigte Königreich von Elenovien, Stevanien und noch ein halbes Dutzend Länder, die es für klug hielten, stets zu wissen, was in der glaebischen Gesandtschaft vor sich ging. Stellan hatte gleich nach seiner Ankunft alle mutmaßlichen Spione entlassen, aber jene, bei denen Declan ganz sicher war, nicht behelligt. Die Entlassungen waren natürlich für das politische Theater. Jeder Zuschauer musste annehmen, der glaebische Gesandte habe sein Haus gereinigt und hielte es jetzt für sauber. Damit bot sich nun Stellan die Möglichkeit, unter den verbliebenen Spionen, die der Entdeckung entronnen zu sein glaubten, nach Beheben Falschmeldungen zu verbreiten.
Das ganze Geschacher mit Spitzeln, Agenten und gezielter Desinformation machte Arkady Kopfschmerzen. In ihren Diensten gab es zwei Spione, von denen sie wussten: ihre Frisierdame, eine Canide namens Peppi, die für Elenovien Spitzeldienste verrichtete, und eine glaebische Kleiderfrau namens Natalay Wren, die Declans Liste zufolge im Sold der Torlener stand. Arkady konnte nicht verstehen, warum sie sich mit ihr abgaben. Die Frau verkaufte für ein nettes kleines monatliches Zubrot ihr Volk. Nach Arkadys Ansicht gehörte sie unverzüglich wegen Landesverrats geköpft und nicht etwa geduldet oder ignoriert. Das hatte Arkady Declan auch unverblümt mitgeteilt, was immer es nützen mochte.
Sie dachte noch immer so, als Natalay jetzt letzte Hand an ihre Kleidung legte, während die Näherin Linnie Kirell den Saum ihrer Robe absteckte. Arkady nahm es an diesem Morgen mit ihrer Erscheinung äußerst genau, denn die kaiserliche Gemahlin hatte der Gattin des glaebischen Gesandten eine Einladung geschickt, sie im kaiserlichen Serail zu besuchen.
Obwohl sie von ihren Männern versteckt wurden wie wertvolle Schätze, als
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