Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 3 - Der Palast der verlorenen Traeume
seltsamen Sprache, die nur wenige Nicht-Crasii verstanden, tauchten dann ins Wasser und schwammen davon, zurück zu ihrer eigenen Siedlung etwas weiter den Flussarm hinauf.
Azquil wandte sich wieder seiner Schwester zu und versuchte ihr hochzuhelfen, doch sie kam entweder vor Erschöpfung oder wegen ihrer Verletzung nicht mehr auf die Beine. Ohne ein Wort schob Declan Arkady und Tiji beiseite und hob die kleine Crasii in seine Arme.
Azquil verbeugte sich respektvoll. »Danke, Mylord.«
Declan antwortete nicht. Er ermahnte Azquil nicht einmal, ihn nicht mit Mylord anzusprechen. Stumm schritt er zum Außenposten, trug die verletzte Chamälide hinein und überließ es Azquil, Tiji und Arkady, ihm zu folgen. Denn eines war jetzt klar: Ganz gleich, was für Probleme Declan mit seiner Unsterblichkeit hatte, ganz gleich, welche persönlichen Zwecke Cayal verfolgte, all das würde zunächst hintanstehen müssen, um Medwen und Ambria vor dem Zorn des großen Handelshauses und der Familie Medura zu retten.
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Nachdem Tenikas Kopfverletzung versorgt und die junge Chamälide zu Bett gebracht worden war, versammelte man sich zum zweiten Mal an diesem Morgen in der Küche des Außenpostens. Nur dass es sich diesmal um einen Kriegsrat handelte, den sie an dem verschrammten alten Küchentisch abhielten. Obwohl er so wenig wie möglich mit den Gezeitenfürsten zu tun haben wollte, sah sich Declan unversehens in die Machenschaften der Unsterblichen verstrickt. Es hatte wenig Sinn, sich gegen das Unvermeidliche zu sträuben. Er war hier, und er war – wenn auch widerstrebend – einer von ihnen. Es wäre töricht, jetzt zu kneifen, nur weil ihm nicht gefiel, wozu ihn das machte.
Diese Erkenntnis war noch sehr neu für ihn, ausgelöst durch das, was Arkady vorhin auf dem Anlegesteg gesagt hatte. Du hast dein Leben lang für die Bruderschaft gearbeitet und nach einem Weg gesucht, die Gezeitenfürsten zu Fall zu bringen, und nun sieh dich an: Die Lösung wird dir auf dem Silbertablett serviert, und du willst nichts damit zu tun haben … Du stehst kurz vor der entscheidenden Entdeckung, nach der deine verflixte Bruderschaft seit fünftausend Jahren sucht, und dann verleugnest du das, bloß weil du wütend auf mich bist.
Es erschreckte ihn, sich einzugestehen, wie recht sie hatte. Er hatte keinen Herzschlag lang an die Bruderschaft gedacht, als er Cayal die Abfuhr erteilte.
Idiot.
Alles, wofür die Bruderschaft stand, der eigentliche Grund ihrer Existenz, war die Suche nach einer Chance, die Gezeitenfürsten zu Fall zu bringen. Und hier hockte er nun als einer von ihnen, vor der Nase einen mächtigen Gezeitenfürsten, der eine Möglichkeit zur Selbstvernichtung gefunden hatte. Dies war nicht die Stunde für falschen Stolz oder persönliche Animositäten. Vielleicht hatte das Schicksal ihn ja deshalb unsterblich werden lassen. Vielleicht hatte ja die Vorsehung selbst beschlossen, dass die Zeit der Gezeitenfürsten vorüber war und sie nun weichen mussten …
Was allerdings voraussetzte, dass die Vorsehung nicht einfach bloß ein dummer Zufall war …
Declan bekam schon Kopfschmerzen, wenn er darüber nachdachte.
Um hinter das Geheimnis zu kommen, wie die Gezeitenfürsten zu vernichten waren, musste er mit Arryl zusammenarbeiten – und was noch schlimmer war, auch mit Cayal. Und er musste darüber hinwegsehen, dass Arkady die Gesellschaft des unsterblichen Prinzen der seinen offensichtlich vorzog. Selbst wenn Declan noch so klar war, dass er die Schuld an diesem bedauerlichen Umstand nur einem geben konnte, nämlich sich selber.
Cayals Reaktion auf die Verhaftung von Ambria und Medwen überraschte Declan. Er hatte den Unsterblichen immer für durch und durch selbstsüchtig und eigennützig gehalten. Er hätte angenommen, der unsterbliche Prinz würde die missliche Lage seiner unsterblichen Schwestern als bedauerlichen Zwischenfall abtun und sich da tunlichst heraushalten.
Cayal verblüffte ihn jedoch, indem er sofort erklärte: »Wir müssen sie da rausholen.«
»Dann fliegt unsere Tarnung auf«, sagte Arryl und runzelte die Stirn. »Zumal, wenn du in ein senestrisches Gefängnis marschierst und anfängst, die Gitterstäbe zum Schmelzen zu bringen.«
»So etwas könnt Ihr, Mylord?«, fragte Azquil ehrfürchtig.
Cayal zuckte die Achseln. »Die Gezeiten stehen noch nicht hoch genug für so dramatische Auftritte.«
»Wir haben viel Mühe auf uns genommen, um unseren Aufenthalt hier geheim zu halten, Cayal«, sagte Arryl.
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