Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 3 - Der Palast der verlorenen Traeume
meine Frau, war Historikerin. Sie erwähnte es mehrfach.«
»Was hat sie darüber gesagt?«, fragte Tryan, widerwillig interessiert, wie Warlock schien.
»Nicht viel«, sagte der Fürst mit einem Achselzucken, »nur dass sie von seiner Existenz gehört hat. Und dass es die Crasii-Version des Tarots der Gezeiten sei. Arkady studierte die Crasii, wisst Ihr. Sie nahm an, falls ein solches Deck tatsächlich existierte, könnte sie es eines Tages mit der menschlichen Version abgleichen.« Er blickte auf und lächelte. »Ich selbst habe darin natürlich nie einen Sinn gesehen. Ich habe von Wahrsagerei noch nie etwas gehalten. Eigentlich schade, wenn man jetzt darüber nachdenkt.«
»Wieso?«, fragte Elyssa.
»Nun, seht es einmal so, Mylady: Wenn ich die Gabe gehabt hätte, die Zukunft vorauszusehen, dann wäre ich jetzt wohl kaum hier, oder?«
Tryan schmunzelte. »Treffer. Ich wusste gar nicht, dass Ihr verheiratet seid, Euer Gnaden. Wo befindet sich Eure Gemahlin jetzt?«
Stellan zuckte die Achseln. »Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nicht einmal, ob sie noch am Leben ist. Als ich Ramahn verließ, ging es ihr recht gut, aber seitdem könnte ja allerhand passiert sein. Fürst Aranville hat ihre Verhaftung angeordnet, aber ich weiß nicht, ob er sie schon ausfindig gemacht hat.«
»Sollen wir das für Euch herausfinden?«, bot Tryan an.
Warlock fragte sich nach den Motiven des Gezeitenfürsten. Kaum jemand hätte ihm gleichgültiger sein können als Arkady Desean. Vielleicht wollte er Desean nur davon überzeugen, dass er kein Monster war. Seine Sorgen zerstreuen, damit der Fürst ihn mit Nyah allein ließ?
»Ich wäre Euch zutiefst verbunden, wenn Ihr irgendeine Nachricht von meiner Frau erlangen könntet, Fürst Torfail.« Desean wandte sich wieder dem Tisch zu. »Darf ich eine davon berühren, Mylady?«
Elyssa nickte. »Seid nur behutsam – sie sind sehr empfindlich.«
Stellan nickte, hob sanft die nächstliegende Karte vom Tisch auf und sah sie bewundernd an. »Die sind uralt, nicht?« Er drehte sie in seiner Hand um. »Was zeigt diese Landkarte?«
Tryan und Elyssa sahen ihn seltsam an. »Landkarte? Was für eine Landkarte?«
Stellan wies auf ein verblasstes Symbol auf der Rückseite der Karte. »Dieser Pfeil mit den Adlerschwingen anstelle der Federn … das ist eine alte Kompassmarkierung. Die alten Kartographen benutzten dieses Zeichen, um den Norden zu markieren, insbesondere die um Libekken ungefähr zur Zeit des letzten Weltenendes. Nicht dass ich dies ohne jeden Zweifel wüsste, bitte missversteht mich nicht. Wie ich schon sagte, meine Gemahlin ist die Historikerin, nicht ich.« Er betrachtete eingehend die Karten auf dem Tisch. Warlock fing einen Blickwechsel zwischen Elyssa und Tryan auf, der ihn zutiefst beunruhigte. Nyah presste sich so heftig an ihn, dass er sich einstemmen musste, um nicht einen Schritt zurückzutreten. Doch die Unsterblichen hatten sie völlig vergessen.
»Sind diese Karten sortiert, Mylady?«
»Einigermaßen.«
»Dann ergibt sich ein Sinn«, meinte Stellan und legte die Karte mit dem Blatt nach unten auf den Tisch zurück. »Dies wäre die untere Ecke der Landkarte. Ich wette, wenn Ihr die anderen Karten umdreht, fügen sie sich ins Bild.«
Elyssa warf einen Blick auf ihren Bruder, der die Achseln zuckte, als ob es ja nicht schaden könnte. Also begann sie die Karten vorsichtig umzudrehen. Gleich darauf half ihr Tryan. Selbst der Fürst beteiligte sich. Es dauerte eine Weile. Die Karten waren gefährlich brüchig, so dass sie sehr vorsichtig zu Werke gehen mussten, doch nach einiger Zeit lagen sämtliche Karten mit dem Blatt nach unten auf dem Tisch.
Die Menschen starrten fasziniert auf die Karten. Obwohl sie spröde waren und ihre Muster vom Alter gebräunt, hatte Stellan Desean eindeutig recht. Selbst Warlock konnte von dort, wo er stand, erkennen, dass das Deck zusammen eine Landkarte ergab, wenn auch keine ganz zusammenhängende. Nicht alle Karten lagen am richtigen Ort, manches Detail war bis zur Unkenntlichkeit verblasst, und einige Karten wiesen Löcher auf, womit ihre Geheimnisse auf ewig verloren waren.
Er fragte sich, ob die Bruderschaft davon wusste.
War das die wahre Bestimmung des Tarots? Nicht, die Geschichte der Gezeitenfürsten zu erzählen, sondern ein anderes Geheimnis zu hüten?
Ist es das, was das Tarot der heiligen Überlieferung so besonders macht? Ist dieses Tarot gar kein Tarot, sondern vielmehr eine Landkarte?
Die meisten der Tarotdecks, die
Weitere Kostenlose Bücher