Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 4 - Der Kristall des Chaos
keine Sklaven auf dem freien Markt. Ihr nahmt lieber die aus Eurem eigenen Zwinger, die Ihr selbst herangezogen habt. Und Euer Zwingermeister war Jaxyn, wisst Ihr noch? Wir mussten sie also irgendwie in Euren Zwinger einschleusen. Wir wussten, dass er eine Schwäche für Kampfkatzen hat, von daher standen die Chancen gut, dass er ein Angebot machen würde, wenn sie es schaffte, den Bären zu besiegen.«
»Sie hätte leicht dabei umkommen können, Declan.«
»Ist sie aber nicht.« Hawkes fingerte immer noch neugierig an Mathus schlaffer Leiche herum. »Meint Ihr, er ist im Wasser umgekommen, oder hat einer der Unsterblichen schon vorher Hand an ihn gelegt?«
»Was?« Der plötzliche Themenwechsel brachte Stellan aus dem Tritt.
»Mathu hier. Was glaubt Ihr, woran er gestorben ist?«
»Entweder erfroren oder ertrunken«, entgegnete Stellan gedankenverloren. »Es scheint doch weiter keine Wunden zu geben. Aber ich verstehe immer noch nicht, woher Chikita wissen will, dass Arkady nicht mit untergegangen ist, als das Eis nachgab. Und auch nicht, wie sie dazu kommt, Euch das zu berichten. Und schon gar nicht, warum Ihr überhaupt hier in Cycrane seid und mir davon erzählt.«
»Ich bin schon fast den ganzen Tag hier«, sagte Hawkes lässig und richtete sich auf. Prüfend sah er sich im Raum um. »Netter Trick übrigens, das mit dem Erdpech. Glaubt Ihr, dass man hier irgendwo etwas zu trinken findet?«
Stellan starrte den ehemaligen Ersten Spion argwöhnisch an. Sein Kopf schwirrte, als er im Geiste alle Möglichkeiten durchging, was sein Auftauchen hier zu bedeuten haben konnte.
»Wie habt Ihr denn Chikita überhaupt gefunden? Da draußen tobt das Chaos.«
»Es hat mich Stunden gekostet«, gab Hawkes zu. »Aber ich wusste ja, wonach ich suchen muss. Dabei habe ich übrigens auch Mathu gefunden.«
»Ihr habt ihn gefunden?«
Hawkes nickte. »Ich habe den Crasii befohlen, ihn hier hereinzubringen, wo er vor neugierigen Augen sicher ist, und Euch dann rufen zu lassen. Ich dachte mir, Ihr wärt bestimmt gern der Krste, der erfährt, dass er es nicht geschafft hat.«
»Nun … ja … natürlich«, sagte Stellan. »Aber warum?«
»Warum was?«
»Warum wolltet Ihr, dass ich es vor den anderen erfahre?«
»Der König ist tot.« Declan Hawkes deutete auf Mathus Leiche, und seine Miene wirkte im Schein der Kerzen ausgesprochen unheimlich. »Es lebe der König.«
Stellan wusste nicht recht, ob er sich dieser Wendung jetzt schon gewachsen fühlte. Zudem beschäftigte ihn noch eine andere Frage. Es erregte seine Besorgnis – und im Übrigen auch seine Neugier –, nicht zu wissen, welcher Anlass Hawkes eigentlich nach Cycrane geführt hatte. »Habt Ihr das Eis gesprengt?«
Declan lächelte, als er auf dem Büfett eine Karaffe erspähte. »Wohl kaum. Kein einzelner Unsterblicher hätte das zuwege gebracht. Nicht solange die Flut erst etwa zwei Drittel ihres Höchststands erreicht hat.« Er zog den Korken heraus, schnüffelte behutsam am Inhalt der Karaffe und stellte zwei Schnapsgläser auf das schmuddelige Leinendeckchen, das – so mutmaßte Stellan – wohl zum »noblen« Flair des Etablissements beitragen sollte. »Leistet Ihr mir Gesellschaft?«
»Woher wisst Ihr, dass die Flut erst zwei Drittel erreicht hat?«
»Ich weiß es gar nicht. Jedenfalls nicht mit Gewissheit. Aber die anderen scheinen das zu denken.«
»Die anderen? Ihr habt also Kontakt mit anderen Unsterblichen aufgenommen?«
Hawkes nickte und goss Stellan einen Schnaps ein, ohne dass er seine Zustimmung bekundet hatte. »Aus diesem Grund bin ich auch hier in Cycrane.« Er reichte Stellan das Glas und hob seines. »Auf Ex.«
Hawkes stürzte den Inhalt seines Glases in einem Zug herunter und füllte es nach.
»Gezeiten, habt Ihr eine Ahnung, wie schwer es ist, betrunken zu werden, wenn man unsterblich ist?«
Stellan wusste es nicht, und es interessierte ihn auch nicht. »Was ist da draußen auf dem Eis geschehen? Wodurch ist es so plötzlich zerborsten? Tryan hat gesagt, jemand hat Gezeitenmagie eingesetzt.«
»Mehrere Jemands«, korrigierte Hawkes und kippte das zweite Glas. »Cayal, Kentravyon und Elyssa, um genau zu sein. Ich hab mich geweigert, ihre Bemühungen tatkräftig zu unterstützen. Bin wohl noch nicht lange genug unsterblich, um mir zigtausend fahrlässig getötete Opfer am Arsch vorbeigehen zu lassen. Aber lasst mir etwas Zeit, früher oder später komme ich auch noch dahin.«
»Cayal ist hier?«, fragte Stellan, betroffen von
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