Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 4 - Der Kristall des Chaos
– ihr seid doch diejenigen, die nicht riskieren können, entdeckt zu werden.«
»Ich weiß nicht …«
»Du musst mir vertrauen, Boots. Kannst du spüren, welche Suzerain es sind?«
Boots schüttelte den Kopf. »Ich rieche sie nur, aber auseinanderhalten kann ich sie nicht.«
»Dann lass mich da raufgehen, ich führe sie von hier weg.« Mit einem Seitenblick auf Warlock fügte Arkady hinzu: »Unter den gegebenen Umständen ist es das Mindeste, was ich tun kann.«
Boots war immer noch wütend auf sie, aber sie sah ein, dass Arkadys Plan Hand und Fuß hatte. »Und Ihr sagt ihnen nicht, dass wir hier sind? Nicht mal eine Andeutung?«
»Ich werde Dankbarkeit heucheln, dass sie mich gefunden haben«, versprach sie. »Ihnen sagen, dass ich keine lebende Seele mehr gesehen habe, seit das Eis aufgebrochen ist.«
»Und wenn es Jaxyn ist?«
Arkady zuckte die Achseln. Es überraschte sie selbst ein wenig, dass ihr an ihrem eigenen Los wirklich nichts mehr lag, wenn sie nur Boots und ihre Familie davor bewahren konnte, wieder den Unsterblichen in die Hände zu fallen. Vielleicht waren es auch nur Schuldgefühle, die sie antrieben, sie denken ließen, dass sie es im Grunde verdient hatte, wieder eingefangen zu werden. Freiheit war ja eine feine Sache, aber nicht, wenn sie mit dem Leben von zwei Vätern erkauft war. »Mir wird schon nichts passieren, Boots. Im Augenblick bin ich für die da oben lebendig mehr wert als tot. Du musst nur irgendwie die Kleinen ruhighalten.«
Boots nickte zögernd. »In Ordnung. Aber lasst sie bloß nicht in den Tempel rein. Denn wenn Elyssa uns hier findet, bringe ich mich, meinen Gefährten und meine Kleinen um, bevor ich zulasse, dass diese Schlampe sie wieder in die Finger bekommt!« Ihr wilder Blick und ihre stolz gereckte Rute machten Arkady klar, dass es Boots bitter ernst war.
»Schon gut, Boots. Aber versteck bloß den verdammten Schädel«, versetzte Arkady mit einem schwachen Lächeln, um die Spannung etwas aufzulösen. »Man hört ihr Kichern im ganzen Tempel, wenn sie damit spielen.« Sie legte der jungen Canide beruhigend die Hand auf die Schulter. »Und mach dir keine Sorgen, Boots. Ich tue alles, was nötig ist, damit du und deine Familie in Sicherheit sind. Das verspreche ich dir.«
»Das habt Ihr letztes Mal auch gesagt«, sagte Boots schroff, schüttelte Arkadys Hand ab und setzte sich Missy etwas bequemer auf die Hüfte. »Und was ist passiert? Meinen Gefährten habt Ihr umgebracht.« Sie warf einen schnellen Blick die Treppe hinauf. »Der Geruch wird stärker. Ihr geht jetzt besser rauf.«
Arkady nickte und wünschte, sie hätte Zeit, sich von War lock zu verabschieden oder die Kleinen noch einmal kurz zu knuddeln. Aber wenn Boots die Suzerain schon von hier unten riechen konnte, waren sie bereits sehr nah. Sie schnappte sich ihren Mantel vom Boden, fuhr in die Ärmel und stieg die Treppe hinauf. Als sie oben auf den Treppengang in die Tempelruine trat und in das helle Sonnenlicht blinzelte, das der Schnee überall reflektierte, konnte sie schon ihre Stimmen hören.
Die Unsterblichen gaben sich keinerlei Mühe, unbemerkt zu bleiben, als sie sich der Ruine näherten. Aber warum sollten sie auch? Sie hatten ja keinen Grund zu der Annahme, dass irgendjemand hier war. Rasch verstreute Arkady etwas totes Laub vor dem Eingang des Verstecks und hoffte, dass die Tarnung einer oberflächlichen Prüfung standhielt. Dann eilte sie nach rechts, fort von der Treppe, und bezog Stellung bei dem Pfeiler, wo sie Warlock erstochen hatte. Arkady glaubte, jetzt sowohl Männer als auch eine Frauenstimme zu hören, doch bisher hatte sie keine Ahnung, welche Unsterblichen den Tempel aufgestöbert hatten. Jaxyn war ihre größte Angst. Aber das Eis ist schon vor Tagen aufgebrochen^ da müsste er doch längst anderswo ans Seeufer gestolpert sein?
Um Gewissheit zu erlangen und auch um zu gewährleisten, dass die Unsterblichen Warlock, Boots und ihren Crasii-Babys nicht noch näher kamen, gab es nur eine Möglichkeit. Arkady gab sich einen Ruck und eilte zum Portal, direkt auf die Stimmen zu.
Als sie aus der Ruine hervortrat, sah sie sofort, dass es nicht Jaxyn, Diala und Lyna waren, wie sie befürchtet hatte. Die beiden größeren Gestalten waren eindeutig Männer, und nur eine Frau war bei ihnen. Zögernd blieb Arkady auf der obersten Stufe stehen und rammte zum Schutz gegen die eiskalte Luft ihre Hände in die Manteltaschen.
Die drei Gestalten vor ihr kamen schnurstracks auf den Tempel
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