Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 4 - Der Kristall des Chaos
und ich erfinde auch nichts. Lukys und Maralyce standen direkt hier. Ob das arme Mädel eine Ahnung hatte, dass sie heute sterben würde? Das hat Maralyce gesagt.«
»Schade, dass du nicht geblieben bist und dir den Rest angehört hast, Tiji«, rief eine tiefe Stimme vom Eingang. »Dann wärst du wohl nicht so beunruhigt.«
Tiji wirbelte herum. Quer durch die Halle kam Lukys auf sie zu, Arm in Arm mit -Tiji traute ihren Augen kaum – einer kerngesunden Oritha. Sie war so damit beschäftigt gewesen, Arryl davon zu überzeugen, dass Oritha tot war, dass sie die Ankunft des Gezeitenfürsten gar nicht gebrochen hatte. Oritha lächelte, als sie sich dem Altar näherten, sie wirkte nicht das kleinste bisschen verängstigt oder besorgt.
Und sie war eindeutig nicht tot. Auch nicht annähernd.
Tiji dagegen fragte sich, ob sie langsam verrückt wurde.
»Gezeiten, du armes kleines Ding«, sagte Oritha, als sie vor dem Altar stehen blieben. »Wie das auf dich gewirkt haben muss, in deinem Versteck da hinten im Schatten …«
Arryls Augen weiteten sich überrascht. »Soll das heißen, dass sie wirklich etwas gesehen hat?«
»Dein kleines Chamäleon hat dir sicher ganz genau beschrieben, was es gesehen hat«, stimmte Lukys lächelnd zu. »Es muss wohl reichlich gruselig gewirkt haben.«
»Wovon redet Ihr?«, fragte Tiji heftig. »Ihr wart dabei, sie umzubringen. Das hat Maralyce doch gesagt.«
»Ich glaube, Maralyce hat mich nur gewarnt, keinen Fehler zu machen, Tiji«, sagte Lukys. »Oritha ist sterblich, weißt du, und wenn wir den Spalt öffnen, wird sie das in dieser Kammer ohne Schutzmaßnahmen nicht überleben. Ich kann sie aber mit einer Eisschicht abschirmen. Dann wird sie, wenn der Spalt sich öffnet und wir hindurchtreten, lebendig mit uns auf der anderen Seite herauskommen. Wir wollen diese Welt verlassen, wie wir sie vorgefunden haben, Tiji. Der Einzige, der dabei umkommen wird, ist Cayal, der den Kristall halten wird. Und wie du dich erinnerst, willst unbedingt sterben.«
»Aber … sie war doch tot …«
»Nein, war ich nicht«, sagte Oritha. Dann lachte sie. »Kann ich doch gar nicht gewesen sein, ich stehe doch vor dir und du siehst, wie gut es mir geht! Hast du nicht gehört, was Ryda gesagt hat? Damit ich die Öffnung des Spalts überlebe, muss er mir eine Eisschicht machen, und damit ich das überlebe, muss mein Gemahl sicherstellen, dass er mich wiederbeleben kann. Wir haben das jetzt schon ein paarmal geübt, und ich bin jedes Mal heil wieder aufgewacht.« Sie nahm Lukys am Arm und lächelte zu ihm auf. »Mein Ryda würde nie zulassen, dass mir etwas Schlimmes passiert. Nicht, Liebster?«
»Natürlich nicht«, sagte Lukys und lächelte auf sie hinunter.
Sie muss an der Schwelle des Todes stehen, damit es funktioniert! erinnerte sich Tiji. Das hatte Lukys zu Maralyce gesagt. Ihr Puls muss so langsam schlagen, dass ihr Herz sich kaum noch bewegt, und ihr Bewusstsein in so tiefer Versenkung verharren, dass es keinerlei Widerstand leistet … Also, vielleicht sagte Lukys die Wahrheit. Vielleicht übte er ja wirklich nur, Oritha einzufrieren und dann wiederzubeleben, damit sie die Öffnung des Spalts und die Reise in eine andere Welt überlebte. Immerhin stand Oritha ja putzmunter hier vor ihr …
Arryl drehte sich zu dem kleinen Chamäleon um. »Tiji, ich denke, jetzt ist eine Entschuldigung bei unserem Gastgeber angebracht.«
Tiji starrte Lukys und Oritha an. »Aber …«
»Entschuldige dich, Tiji«, beharrte Arryl.
Tiji sah Lukys scheel an und sagte mit zusammengebissenen Zähnen: »Tut mir leid, Mylord.«
»Tut mir leid, dass ich Euch nachspioniert und Euch beschuldigt habe, Eure Gemahlin zu ermorden«, fügte Arryl mit einem erwartungsvollen Blick hinzu.
»Tut mir leid, dass ich Euch nachspioniert und Euch beschuldigt habe, Eure Gemahlin zu ermorden«, sprach Tiji pflichtschuldig nach. Dann wandte sie sich Arryl zu. »Kann ich jetzt gehen?«
»Das solltest du besser«, sagte Lukys. »Und bitte komm nicht wieder uneingeladen hier herunter. Wie Lady Arryl dir sicher sagen kann, ist das Moos, mit dem wir die Treppe beleuchten, sehr empfindlich. Ich will nicht, dass es von Unbefugten beschädigt oder kontaminiert wird, die hier nach Belieben rein- und rausspazieren.«
»Keine Sorge. Ich komme schon nicht wieder«, murmelte Tiji. Dann drehte sie sich um und rannte auf den Eingang zu, ihre silberne Haut flimmernd vor Demütigung und Wut.
Azquil war wütend und beschämt zugleich, als Tiji ihm
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